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Santigold – Spirituals

Die Geister, die sie rief: Wofür steht Santigold zehn Jahre nach dem überdimensionalen Erfolg von “Disparate Youth”? Eine Frage, die das vierte Album von Santi White (so der Geburtsname der Künstlerin aus Philadelphia) charmant uneindeutig beantwortet.

Song um Song setzt White einen Stein nach dem anderen in die Mauer ihres Fundaments, das ihren Legendenstatus auch 2022 zum Funkeln bringt.

Dafür braucht es eigentlich nur die ersten Takte von “My Horror”, in denen Santigold mit ihrer unverkennbaren Kopfstimme über den Dingen schwebt. Schon hebt man gleich wieder mit ab in dieses Universum, das gleichsam einladend wie mysteriös schimmert.

“Spirituals” zeigt sich dabei vor allem – und das muss man ja heutzutage doch betont hervorheben – als echte Album-Erfahrung. Denn wo sich “Nothing” noch als Wolldecken-Discokugel-Hybrid ans Herz klammert und “High Priestess” die Pforten zum Club dann doch etwas bewusster auftritt, geht die Platte im weiteren Verlauf in immer ungewöhnlichere Sound-Felder.

Von der lässigen Coolness, die White vor allem in “Shake” vor nervösen Bässen beweist, bekommen in “The Lasty” alle etwas ab, wenn große Sprechchöre den Song zur Hymne werden lassen. Bei “No Paradise” und “Ain’t Ready” ist dabei ein echter Cut spürbar, der sich von typischem Indie-Pop mit altbekannten Synthesizern und Beats distanziert und lieber alternative Sounds erkundet.

Santigold spielt hier mit der Polyrhythmik, mit der Mehrschichtigkeit von Instrumental und Stimme, lässt die Strukturen aufbröseln und mit den Beats doch zuverlässig nach vorne schwappen. Immer undurchlässiger und weniger greifbar ist dieses Gemisch und dabei doch so ungemein anziehend.

Im Epizentrum dieses Sonnensystems steht Santigolds Timbre, das mal als Revolutionsfigur auftritt, mal wärmende Güte verspricht, mal sehnsuchtsvolle Leidenschaft innehat. Damit ist sie die wichtigste Orientierung in einem Bällebad aus musikalischer Vielfalt, die auch nach 20 Jahren Musik-Karriere noch nicht an Abnutzungserscheinungen leidet.

Dass es mit “Fall First” als Finale dann aber einen düsteren Ausflug in die Dark-Wave-Ästhetik gibt, ist auch bei all der Diversität des Sounds eine Überraschung. Und dann auch noch eine, die etwas traurig stimmt, dass diese Platte nicht doch noch etwas länger geworden ist.

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