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Julien Chang – The Sale

Hype – “eine Form der Werbung, die sehr ungewöhnlich, aggressiv oder spektakulär ist und die eine besondere Begeisterung für das Produkt beim Verbraucher hervorruft”. Gibt’s das im Musikbereich noch ? Hat der NME endlich damit aufgehört, im regelmäßigen Wechsel neue Musiker ins gelobte Land zu schreiben?

“Jules”, das Debütalbum von Julien Chang erhielt diese Weihen 2018 ebenfalls. Verständlicherweise allerdings, denn der damals 19-Jährige hatte das komplette, am Indie-Pop angelehnte, Album im heimischen Kinderzimmerstudio selbst eingespielt und produziert.

Der autodidaktische Multiinstrumentalist setzt auch bei seinem Zweitwerk “The Sale” aufs eigene Schaffen, diesmal allerdings u.a. auch in der Studentenbude in Princeton. Hype mag überstrapaziert werden, nicht jedoch im Falle von Julien Chang, dem man auch gerne den Wunderkind Stempel aufdrücken möchte.

Ein breites Spektrum an musikalischen Einflüssen verarbeitet “The Sale”, jedoch immer dem indie-esken Pop zugewandt. Der Opener “Heart Holiday” fährt ein sphärisches Synthesizer-Intro auf, vor dem sich selbst Genesis ehrwürdig verneigen würden. Trommelt sich in den Rockolymp, zerbröselt aber an ins Balladeske abschweifende, singende Pianoklängen.

Changs Stimme ist hell, hoch und wirkt oft effektbeladen. Aber stimmig, vergleichbar mit Kevin Parker von Tame Impala. Disharmonisch gewogen, zelebriert er im Refrain einen Hauch von Soul, bevor “Marmalade” ein Stilmerkmal des Albums vorstellt.

Der Titel zersetzt sich zum Ende in den Textzeilen “I Remember Falling In Love”, einem allgegenwärtigen Thema seines jungen Daseins. Du musst noch viel lernen, junger Padawan. Mehr als ein väterliches Schulterklopfen verlangt einem Julien Changs Liebesreigen noch nicht ab.

Daran ändert auch “Sweet Obsolete” nichts. Die verschmähte Nächstenliebe betrauernd, öffnet sich der Titel mit am Himmel hängenden, akustisch niederprasselnden Saitenzupfen. Tempo-gedrosselt gleitet der Titel aber immer wieder in die Disharmonie ab, um den Worten von Chang eine besondere Tragik zu verleihen.

“Snakebit” hingegen trollt sich lässig mit einer Prise Funk auf dem Bass durch Indie-Pop-Gefilde. Etwas Echo auf der Stimme und eine catchy hook im Refrain und fertig ist der 80s-angehauchte Wohnzimmersound. Das jazzige Outro lässt einen sogar noch etwas tiefer in der heimischen Couch versinken, bevor “Time and Place” die Streichervorhänge zuzieht und sanft surrende Saiten die Liebe zum Fenster hinauswerfen.

Die sanftmütige Stimmung ungestört lässt “Bellarose”. Zupft sich zaghaft harmonisch ins Gehör, langsam tastet sich die Elektronik vor und findet wiederum im Bass einen funkiger Kompagnon.

Man würde ja gerne verweilen und sich an Changs hellem Organ erfreuen, doch “Ethical Expectations” macht sich bereit, um arrogant im Flutlicht zu erstrahlen. Feuchte Indieträume werden zwischen Synthiepiano und virtuos die Gitarrensaiten küssenden Fingern Wirklichkeit. Groovend schwoft sich der Titel, mit Julien Changs Stimme überzuckert, in die Ohrwurmarena.

Dort verweilt “Queen Of Sheba”. Katzenfutter wird hier zwar nicht besungen, aber ähnlich schmeichelnd wie die felligen Haustiger ist der von “Uuuhh” und “Aaahh” Frohlockungen begleitete Akustik-Balladensound.

Dazwischen liegt “Crossed Paths”und kreuzt Keyboard mit Trompete. Drei Minuten stapft man watend durchs Soundkonstrukt, bevor sich die Bläser ein Herz nehmen und den Titel ins Jazzwunderland entführen. Cool und klassisch mit einem fingerschnippenden Beat weiß Julien Chang auch dieses Genre zu meistern.

Langsam müssen wir uns verabschieden von Changs musikalischer Großartigkeit. “Competition´s Friend” wähnt sich noch einmal sicher zwischen Akustikgitarren und weichem Gesang. Das von den Drums bestimmte Outro lässt selig grinsend zurück.

Freunde von Chris Reas luftigem Gitarrenspiel dürfen eine Schleife um “The Sale” binden und sich das Album unter den Tannenbaum legen. Chang gelingt es stets, den kurz angeschlagenen Saiten, etwas Fernweh beizumischen.

“The Sale” ist eine vielseitige Darbietung. Irgendwo zwischen akustisch-melancholisch und jazzig-cool verweilt das Album in einer transzendentalen Indie-Pop-Traumwelt. Die tiefe Verbeugung vor dem Emotionen weckenden Saitenspiel eines Chris Rea kombiniert mit der Eleganz der elektronischen Klänge lässt den Longplayer zum dauerhaften Begleiter für den Herbst werden. Da kann man es Chang auch nicht übel nehmen, dass er sich textlich manchmal etwas in der Gewichtung seiner Gefühlswelt versteigt.

Entschuldigung für den Hype.

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