MusikBlog - Entdecke neue Musik

Temps – Party Gator Purgatory

Ein Komiker und sein Kollektiv, irgendwo zwischen Nebenprojekt und Supergroup. James William Acaster präsentiert als Temps ein Debütalbum aus verquerem bis anspruchsvollem Eklektizismus, nicht selten aus der Gulasch-Kanone.

Wie weit es Komiker bringen können, sieht man an Volodymyr Selenskyj, der mal eben, und ganz sicher ungewollt, zur Gallionsfigur bei der Verteidigung freiheitlicher, demokratischer Werte emporstieg. Der wegen dieses unwahrscheinlichen Werdegangs immer wieder verunglimpft wird, zuletzt von einem Minusmenschen wie dem DFB-Vizepräsidenten Hermann Winkler, bekannt als Russlandfreund und verdientermaßen im Visier deutscher Ultras-Szenen.

Nun ist der Brite James Acaster, der in UK und darüber hinaus als Stand-Up-Comedian und Podcaster bekannt ist, weit von einer staatstragenden Präsidentschaft entfernt. Das freigeistige Streben, das „Party Gator Purgatory“ entfaltet sowie der unwahrscheinliche bis bizarre Weg zu diesem Album, deuten aber immerhin auf kleine Parallelen hin.

Eigentlich sollte eine Mockumentary über ihn entstehen, weshalb Acaster sein altes Schlagzeug aus Kindheitstage reaktivierte, mit dem er in einigen Bands spielte. In der Pilotfolge musste er dann feststellen, dass sich sein Können nicht mit seinem Anspruch deckt, weshalb er kurzerhand den Jazz-Drummer Seb Rochford engagierte, der alles erneut eintrommeln sollte.

Mit dem ersten Corona-Lockdwon wurde die Mockumentary dann verworfen und Acaster mit stundenlangen Solo-Schlagzeugspuren zurückgelassen. Glücklicherweise sah er sich in der Situation, vor kurzem ein Buch und einen Podcast über moderne Musik veröffentlicht zu haben, für die er zahllose Musiker*innen interviewte und noch in Besitz ihre E-Mail-Adressen war.

Erwähnenswert ist das nur deshalb, weil man sich sicher fragen kann, wie ein Komiker zu einer musikalischen Supergroup, bestehend aus Könnern wie dem US-Rapper Quelle Chris, Deerhoof-Gitarrist John Dieterich, Joana Gomila, Pianistin Laia Vallès, Elektro-Popper Shamir und vielen anderen kommt.

Ach, und ein fluoreszierender Stofftier-Alligator, der dem Wahnsinn seinen Namen gibt, spielt auch eine Rolle: Gedacht als Muse für die Mockumentary, geendet als Maskottchen zum Album.

Conclusio: Nicht alles an der Story zu “Party Gator Purgatory” hat einen roten Faden, und die Platte selbst noch weniger. Das macht sie allerdings nicht minder spannend, wenn sich Freiform-Rap und Saxophon-Solo vermählen, wenn eine barocke Gitarrenlinie einen Chor von Blockflöten anstachelt.

Oder wenn smoother Hip-Hop in einer Chorzeile wie “There’s no winners, just players/ Look alive, play dead” aufgeht. Wenn, wie in der Leadsingle “no,no“, eine Verschmelzung von atmosphärischem Alt-Rock, unorthodoxem Hip-Hop und lockeren Jazz-Taktarten der Avantgarde Impulse gibt.

Voraussetzung für das, was James Acaster hier produziert, kuratiert und konzipiert hat, ist stets ein langer Atem. Noch so eine Parallele.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke