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Poly Ghost – Miracle

Kennt noch wer Jane Fonda ? Die Hollwood-Lady hat Aerobicvideos fürs heimische Workout mit pinken Leggings und Stulpen salonfähig gemacht. Irgendwann in den 80ern. Das Video zu “Full Body Workout” von Poly Ghost verfolgt hoffentlich nicht dasselbe Ziel, der modische Aspekt hält sich arg in Grenzen. Musikalisch hingegen ist man durchaus dazu befähigt, das Tabata-, Functional-, PowerYoga- oder was-auch-immer Training dynamisch zu gestalten.

Das Hannoveraner Trio versteht sich auf Frickelfunk-Crossover-Pop. Funky Gitarren treffen auf Popbeats, garniert mit reichlich Sampling und Synthesizerspielereien. Klingt nach 80er? Ja, genau.

Der Opener “Thinking Of You” mischt diese Zutaten zu einer textkargen Dauer-Refrainschleife zusammen, die sich einer gewissen Ohrwurmlastigkeit gerade deswegen nicht erwehren kann. Man möchte weghören, klappt aber nicht. Keine Angst, auf Ballermann-Hits-Niveau rutschen Poly Ghost nie ab, schräg ist es trotzdem.

So erinnert “Tamagotchi” in seinen besten Momenten an die ehrwürdigen Whale, was an der klampfenden Gitarrenwand und dem plärrigen Gesang liegt.

Die überdrehten Fantasien rund um Felltiger lassen selbst das folgende “Dancing With My Ghost” nicht los. Hier packt man eine,ein wenig pumpende, 70s Beatmachine im Stile von Parliament ins hyperaktive Beatgepäck, um das Gemengelage zu stützen.

Gerade, wenn man sich an das Pluckern, Piepen und Fierpen aus allen Ecken gewohnt hat, kommt “Dinosaur Beach” ums Eck. Der Song treibt diese Spielereien mit entspanntem Gesangseinsatz auf den Höhepunkt, packt im Chorus aber die Gitarrenriffs aus der Badetasche und die Stadionrockattitüde aus.

Nach all den verzerrten Gitarren und Leibes-Ertüchtigungs-Beats nimmt “Ananas Ring” das Tempo raus. Pluckernd purzeln die Beats über den entrückten Gesang und das Ohr sucht verzweifelt nach Halt oder dem Albumtiteltrack “Miracle”.

90s Synthiebeats regnen im Refrain auf die textliche Selbstmotivationshymne und bieten den letzten wirklich tanzbaren Untergrund auf dem zehn Track starken Longplayer.

Auch, wenn “Artificial Crush” mit Casiopluckerei und Gitarrenriffs in Home-Office-Zeiten sicherlich so manche Abstellkammer zur Discotanzfläche umfunktioniert hätte, ist die ideale Quiet Quitting Hymne eher ein Abgesang statt Motivator.

“Hexagramm” bringt sphärisch gleitende Synthesizer und Vocodergesang ein wenig an Daft-Punk-Discoveryzeiten ran, bevor ein Countdown den Spannungsbogen ins Nichts spannt.

Welches wiederum “Mac´N´Cheese” als Anlass für eine Dream-Pop-Einlage nimmt. Smooth schmelzend wie der besungene Käse auf den Nudeln dient der Titel mit E-Drums und säuselndem Gesang als Appetizer auf den Sound der Band, welchen man generell eher dem Fast Food Genre zuordnen kann.

“Miracle” ist ein buntes, hochfrequentes, hyperaktives Sammelsurium aus Funk, Synthesizerpop und schrägem Gesang. Das Trio hat bei Songs wie “Dinosaur Beach” oder “Thinking Of You” durchaus seine Momente, verliert sich aber oft in dem ernüchternden Gefühl, das einsetzt, wenn das Koks nicht mehr kickt. Oder, wenn Jane Fondas Aerobic Videos nur noch auf Kassette verfügbar sind.

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