Blind vor Liebe, blind vor Wut, blind drauflos, blinde Passagierin – im Falle von Our Broken Garden ist es womöglich ein bisschen was von allem. Mit „Blind“ veröffentlicht die dänische Band nach längerer Abwesenheit ihr drittes Album und erzählt von der Bewältigung tiefschwarzer Perioden.

13 Jahre sind seit ihrem zweiten Album „Golden Sea“ in 2010 vergangen – sogar Vergleiche mit Sigur Rós wurden damals gezogen. Dabei wäre es beinahe das letzte Stück Musik von Our Broken Garden, dem Solo-Projekt der früheren Efterklang-Live-Keyboarderin Anna Brønsted, gewesen. Ihre vermeintliche Unfruchtbarkeit setzte eine Abwärtsspirale in Gang, der sie jahrelang nicht entkommen konnte.

Die Musik entpuppte sich trotz aller Aussichtslosigkeit als ihre Rettungsleine. Schlussendlich gelingt ihr zwischen tiefgreifender Traurigkeit und bedingungsloser Liebe mit „Blind“ ein lebensbejahendes Werk.

Schon der kurze Opener „Prelude“ zeigt diese Ambivalenz der Extreme. Warme, sonnengetränkte Klavierklänge gaukeln Hoffnung vor, nur um sogleich dem bitteren Sprechgesang weichen zu müssen: „At some point in our lives almost every one of us will have a heart broken.“

Gleich darauf kommt Anna Brønsted in „Lost“ zwischen verzerrten Synths vom Weg ab und torkelt nahtlos in den nächsten Song über. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Singer/Songwriter John Grant besingt sie in „Rain“ ein ungeborenes Kind. Es ist Annas Kind. Nach einer unerwarteten und komplizierten Schwangerschaft wurde sie vor drei Jahren Mutter.

Was nach diesem Einstieg ins Album wie eine vertonte Krisenbewältigung klingt, ist mitnichten stellvertretend für den Rest von „Blind“. Our Broken Garden entführt in sphärische Klanglandschaften aus fragilem Klavier, entfremdeten Geräuschkulissen und Annas eindringlichen Gesang.

„Waltz“ überzeugt mit einer luftigen und zugleich unheilvollen Stimmung. Es tanzt der Schlagzeugbesen im Mondlicht, während eingestreute Klaviermelodien für Dissonanz sorgen. Der transparente Schleier aus Falsett komplettiert das eigensinnige Gesamtbild.

Im schunkelnden und dahinplätschernden „Storm“ holt sie sich Unterstützung von Luke Temple. Dass dieser Song während eines dreimonatigen Meditationsaufenthalts entstanden ist, wird erst im sakralen Outro hörbar. Schade, etwas mehr Goth würde sich gut in das Klangbild von „Blind“ einfügen.

Für ausreichend Abwechslung sorgen aber auch die mit Blasinstrumenten ausstaffierten Tracks wie „Fallen“, „Words“ oder „Crown“. Der üppige Anstrich tut der Platte gut und verleiht den stellenweise kargen Instrumentierungen einen matten Schimmer.

Mit „Found“ schließt sich dann der Kreis, indem nochmal das Klavierthema von „Lost“ aufgegriffen wird. Mal elegisch, mal forsch gelingt Our Broken Garden ein intimes und detailverliebtes Comeback. Trotz poppiger Avancen bleibt es mystisch aufgeladen und erstrahlt in kühlen Farben.

Auf „Blind“ braucht man keine Augen, um zu sehen.

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