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Enno Bunger – Der beste Verlierer

„Ich sehe was, was du nicht siehst / Und das ist schwarz, zu lange schon / Ich habe was, was du nicht siehst / Ich habe Depression’n“. Es sind Zeilen wie diese, mit denen Enno Bunger auf „Der beste Verlierer“ komplexe Thematiken auf ihre Essenz herunterbricht, mit lyrischer Brillanz auf den Punkt bringt wie lange kein deutscher Songwriter mehr und damit mitten ins Herz trifft.

Die Zeiten sind zum Verzweifeln und die Auswahl der zu besingenden Missstände so groß, dass man gar nicht weiß, womit man anfangen soll. Enno Bunger konnte sich anscheinend auch nicht entscheiden, denn auf „Der beste Verlierer“ holt der gebürtige Ostfriese zu einem Rundumschlag aus.

Es geht um Depression, Klimawandel, Krieg, den Weltuntergang, aber auch die eigene Fehlbarkeit und den Umgang damit. Verpacken tut er dieses Kaleidoskop an wichtigen Themen in allen Facetten des Deutsch-Pops.

„Kein Mensch startet einen Krieg“ fällt als lupenreine Piano-Ballade, die eine Momentaufnahme des Ukraine-Kriegs ist und mit der Kinderperspektive an Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da“ erinnert, stilistisch etwas aus dem Rahmen.

Ähnlich ruhig, aber mit mehr Instrumentarium, geht es bei „Kinder“ zu, bei dem Lina Maly mit ihrer unaufgeregten Stimme als Duett Partnerin brilliert und das Storytelling des Songs so auch in der Musik perfekt umgesetzt ist.

Und auch, wenn sich dieser Song mit Zeilen wie „Du meinst, dass alles gut wird / Doch ich glaube das nicht mehr“ einer Hoffnungslosigkeit bedient, die wahrscheinlich viele von uns in schlechten Momenten zu überkommen droht, lässt Enno Bunger die Hörer*innen bei aller Düsternis doch nicht auf Plattenlänge verzweifeln.

Denn wo kämen wir hin, wenn das Aufgeben eine Alternative wäre und die Ohnmacht gewönne. Und deswegen finden auf „Der beste Verlierer“ auch Songs wie „Weltuntergang (Alles hört auf)“ Platz, das mit den optimistischen Synthies und dem tanzbaren Beat mit der Apokalyptik seines Namens nichts gemeinsam hat.

„Wir sind die gute Nachricht, die jeder hier braucht“ singt Enno Bunger in ungewohnt tiefer Tonlage einen Song später in „Bunker“ und erhebt „Der beste Verlierer“ so zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Denn in diesen düsteren Zeiten sind diese dringlichen Songs, die nichts vertuschen oder verschweigen, sondern die Komplexität des Menschseins mit all‘ seinen Fehlbarkeiten und Dualitäten auf den Punkt bringen und trotzdem den Hoffnungsschimmer nicht verlieren, Balsam für die von Unmengen an Weltschmerz geschundene Seele.

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