Normalerweise kann man einen Track skippen, wenn er nicht gefällt. Im Zeitalter der Streaming-Dienste, wo das Albumformat in der Musiklandschaft nicht mehr unbedingt die Deutungshoheit hat, fühlt man sich dazu schon mal häufiger verführt.
Jon Hopkins jedoch macht den Hörer*innen bei „RITUAL“ diesbezüglich einen Strich durch die Rechnung. Das Album besteht aus einem einzigen Track, aufgeteilt in acht Teile. Obwohl Hopkins für seine mäandernden Songlandschaften, die selten in die übliche Single-Dauer-Schablone passen, bekannt ist, übertrifft er sich dieses Mal selbst. „RITUAL“ ist eine 41-minütige Klangreise, auf die man sich vollends einlassen muss, um sie zu genießen.
Die Art und Weise, wie Jon Hopkins über Musik und den Schöpfungsprozess spricht, hat etwas Esoterisches: „Ich habe keine Ahnung, was ich tue, wenn ich komponiere. Ich weiß nicht, woher es kommt, und ich weiß nicht, wohin es geht, und es scheint auch nicht wichtig zu sein (…) Es fühlt sich an wie ein Werkzeug, vielleicht sogar eine Maschine, um Portale in Ihrer inneren Welt zu öffnen, um Dinge freizulegen, die verborgen und vergraben sind“, so der 45-jährige Brite über sein Neuwerk.
So mystisch, wie das klingt, hört sich auch die zugehörige Musik an. Obwohl Hopkins „RITUAL“ in acht Kapitel unterteilt, sind die Übergänge absolut fließend. Ehrlich gesagt spielt es gar keine große Rolle, wo die eine Phase endet und die nächste beginnt, denn „RITUAL“ ist ein groß angelegter Bogen, den man als Ganzes betrachten muss.
Zu Beginn lässt sich Hopkins Zeit, um mit wabernden Klangflächen eine mystische Atmosphäre zu erzeugen. Hier und da flechtet er Geräusche des Alltags ein: Man hört Menschen atmen und flüstern, vielleicht den Zünder eines Feuerzeugs, der den Funken entfacht. Wer sich darauf einlässt, dem dürfte es leichtfallen, einen meditativen Zustand zu erreichen.
Nach und nach nimmt das Album durch einen pulsierenden Rhythmus und sich überlagernde Chöre und Synthieflächen an Fahrt auf, bevor die Dunkelheit mit heftigeren elektronischen Elementen gegen Mitte der 41 Minuten langsam das Licht überschattet.
Aber keine Sorge, am Ende wird trotzdem alles gut und Hopkins lässt „RITUAL“ mit einer wunderschönen Piano-Melodie und Streichern in der Ferne versöhnlich ausklingen.
Wer Lust hat, sich auf eine Reise ins Innere zu begeben, ohne dabei die eigenen vier Wände verlassen zu müssen, der hat mit „RITUAL“ den perfekten Soundtrack dazu gefunden.