Unter den üblichen Idealen von Liebe und Partnerschaft führen in unserem Kulturkreis die Werte Ehrlichkeit und Vertrauen. Mitunter wird ein gegenseitiges Verstehen ohne Worte vergöttert. Anders verhält es sich bei der australischen Keyboarderin Allysha Joy in ihren Texten auf “The Making Of Silk”. Ausführliche Kommunikation ist Allyshas Kernthema auf ihrer Platte über Ein- und Zweisamkeit.

Denn die Realität zeichnet sich ja oft durch Ärger über etwas aus, das irgendwann gesagt, aber nicht so gemeint war. Oder umgekehrt: Gemeint, gedacht, aber leider nicht ausgesprochen wurde. Oder zumindest nicht klar ausgedrückt.

“Die Herstellung von Seide”, “The Making Of Silk”, reiht sich als zweites Werk in Joys Soloalbum-Diskographie ein. Ihre neue Sammlung kurzer und manchmal skizzenhafter, angejazzter Downbeat-Nummern wirkt ähnlich einem Mixtape.

Die Tracks dienen aber weder der Tanzfläche noch Club-Kultur. Sie machen eher den Eindruck von Kammer-Pop für stille Stunden und für müde Seelen, die sich auf Tinder schachmatt geswipet haben, beim Daten meist kein gutes Gefühl verspüren und doch nicht alleine bleiben wollen oder können.

“The Making Of Silk” sucht nicht den heißen Funken des akuten, rauschhaften Verliebtseins, sondern das gleichmäßige, angenehme Wohlbefinden, das darin wurzelt, dass man sich vollkommen auf einen Mitmenschen verlassen kann.

Solcherlei Sehnsucht nach ‘deeper understanding‘ durchzieht immer wieder Werke der Popmusik. Kate Bushs “The Sensual World” wäre da ebenso zu nennen, wie Annie Lennox’ “Diva” oder Paula Coles “This Fire”. Einfühlung, offenes Reden miteinander, aufmerksames und achtsames Zuhören und Wertschätzung sind die Schlüssel zum Beziehungs- und Lebensglück auf dieser Platte. Auch die Akzeptanz von Schmerz.

Man mag einwenden: Diese Wunschbilder entstammen einer stressfreien Welt, einer konfliktarmen Bubble. Allysha verbringt wohl viel Zeit alleine mit ihren Fender Rhodes-E-Pianos. In ihrer sauberen Studiosituation stellt sie sich eine bessere Welt vor.

Dabei konstruiert sie mehrschichtige Gesangs-Architektur am Reißbrett des Elektro-R&B, besticht durch warme Gedanken in einer kühlen smoothen Umgebung von Downtempo-Tönen.

Banks, Emma-Jean Thackray, Sera Kalo, Charity Children, Erika De Casier und Buzzy Lee kommen in den Sinn. Auch YellowStraps, Snarky Puppy und andere späte Erben des Acid-Jazz oder Vertreterinnen des Alternative-R&B fallen ein. Ein Hauch SZA überstreicht das Ganze. Ebenso musiziert die ein oder andere, ätherisch und reduziert klingende, Post-Soul-Instanz wie Arlo Parks und die geheimnisumwobenen Sault nicht so ganz weit entfernt.

Trotzdem vollbringt Allysha etwas völlig Eigenständiges. Stilistisch wurzelt sie mit ihren Streicher-Arrangements tiefer im klassischen Soul als die Genannten, mit ihrer Produktionstechnik dagegen im Elektronischen.

Und mit ihrer gesellschaftsbekehrenden Haltung zu funky hüpfenden Beats tänzelt sie mit einem halben Bein im afrofuturistischen Jazz. Gleichzeitig entspannt die Platte ungemein.

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