Das dänische Elektro-Pop-Trio WhoMadeWho ist auf internationalen Festivals und auf der ganzen Welt zuhause. Ihr achtes Album “Kiss And Forget” ist von dieser Herkunft geprägt und lädt verschiedenste Feature-Gäste ein. Sänger und Gitarrist Jeppe Kjellberg berichtet über die neue Ära der Band und erzählt, was ihn beim Coachella dieses Jahr schockiert hat.
MusikBlog: Hallo, Jeppe! Ich hoffe, dir geht es gut. Ich kann mir vorstellen, dass es gerade kurz vor dem Release eine sehr spannende Zeit für dich und deine Band ist. Wie fühlst du dich bezüglich des neuen Albums?
Jeppe Kjellberg: Für mich ist es gerade super spannend. Wir erleben aber aktuell ständig etwas Neues. Zum Beispiel sind wir gerade vom Burning Man Festival nach Hause gekommen – das war episch. Im Sommer haben wir viele solcher besonderen Dinge erlebt und jetzt kommt auch noch das neue Album. Jede Woche passiert etwas Neues und wirklich Tolles. Im Moment ist es wirklich aufregend, Teil von WhoMadeWho zu sein.
MusikBlog: Ja, klar, ich kann mir das vorstellen. Ich habe gerade geschaut, was für dieses Jahr auf eurem Plan steht. Ich war sehr überrascht, weil es so viele epische Dinge gibt, wie du es schon erwähnt hast. Und wenn die Fans auf die Eröffnung des Albums freuen, was können sie deiner Meinung nach bei dieser neuen Platte erwarten?
Jeppe Kjellberg: Es ist natürlich immer etwas Besonders, weil man als Künstler versucht, sich neu zu erfinden, aber auch nicht zu sehr. Dieses Mal war es interessant, weil wir auch mit externen Produzenten und Songschreibern gearbeitet haben. Dabei haben wir mit sehr vielen Künstlerinnen gearbeitet, etwa mit Nour, die in “A3LA” auf Arabisch singt. Und wir haben auch den Titelsong “Kiss And Forget”, der eine fantastische Geschichte hat, denn er entstand, als Tomas und ich auf Tour in der Karibik waren.
MusikBlog: War die karibische Umgebung besonders inspirierend?
Jeppe Kjellberg: Wir haben dort auch ein Instrumental geschrieben, im Anblick dieser wunderschönen Landschaft. Dieses hatten wir damals zu Blue Hawaii geschickt und die Songwriterin der Band hat uns drei Monate lang nicht geantwortet – aber dann hat sie den Song gehört und sich dazu diese Geschichte über die gemeinsame Flucht zweier Frauen ausgedacht. Das hat jetzt etwas von “Thelma & Louise” und epischen Roadtrips. Die Songs “Kiss Me Hard” und “Sweet Cuddles” sind jetzt wirklich ein epischer Roman geworden. Das ist für mich ein wunderschönes Beispiel für eine wirklich kreative Zusammenarbeit. Wir haben hier auf der einen Seite der Welt ein Instrumental zu einer tollen Landschaft geschrieben und es wieder vergessen und dann, ganz woanders, nimmt eine Frau in Kanada diesen Faden wieder auf, ihr kreativer Geist wird geweckt und sie schreibt diesen wunderschönen Pop-Song.
MusikBlog: Ich war wirklich überrascht, als ich das Album gehört habe, weil so viele verschiedene Kooperationen auf dieser Platte stattfinden.
Jeppe Kjellberg: Wir sind drei Männer, die seit vielen Jahren zusammen Musik machen. Es ist deswegen sehr inspirierend für uns, neue Impulse zu bekommen und auch für die Hörer*innen bringen die vielen weiblichen Stimmen Neues. Es gibt diese romantische Vorstellung vom Songwriting. Man sitzt mit einer Gitarre im Studio und nimmt einen Song auf. Aber ich denke, wir sind da eher wie Hip-Hop-Produzenten. Wir sind kreativ, aber wenn jemand anderes rein will, dann ist er immer willkommen. Du hast ein schönes Synthesizer-Thema oder eine Idee für unsere Songs? Zeig es uns und wir bauen es ein.
MusikBlog: Das führt auch zu dem Ergebnis, dass es Songs wie “A3LA” gibt, die eher psychedelisch sind, und auf der anderen Seite Songs wie “Miracle”, die zum nächsten Rave führen. Wie setzt ihr das alles zusammen?
Jeppe Kjellberg:: “Miracle” haben wir schon vor langer Zeit geschrieben, den Song dann aber wieder vergessen. Aber dann hat sich Tomas wieder an ihn erinnert und wir haben ihn weiter produziert. Der Zeitpunkt war dann für dieses Album einfach perfekt und wir fanden den Song großartig. Viele DJs spielten den Song und wir hörten ihn sogar oft Leute auf der Straße singen. Du hast recht – auf dieser Platte ist er mit seinem Rave-Charakter etwas Besonderes.
Aber ich denke, es ist auch Teil der ganzen Palette von Farben, die wir mit unserer Musik verwenden wollen. Wir können sehr gut als klassische DJs produzieren, wir können auch einen guten Rave veranstalten. Ich finde es schön, dass wir das auf dem Album abbilden. Aber es ist auch wichtig für uns, nicht nur über den Rave und den Club zu reden. Wir waren musikalisch immer sehr divers. Aber das ist so, weil wir gerne Neues Ausprobieren – wir wagen uns in Bereiche vor, in denen wir uns nicht unbedingt wohlfühlen, aber in denen wir viel Spaß haben. Und genau diese neuen Seiten und Experimente zu zeigen, macht uns wirklich stolz.
MusikBlog: Und das geht besser auf eurem eigenen Label?
Jeppe Kjellberg: Als wir noch unter Vertrag standen, hieß es von den Label-Bossen immer: “Wir brauchen mehr Singles, wir brauchen mehr dieses, wir brauchen mehr jenes” – das hat für uns nie funktioniert. Jetzt sind wir dafür viel mehr bei uns und machen, was wir wollen. Das fühlt sich richtig gut an. Deswegen ist diese Platte auch persönlicher als unsere bisherige Diskographie.
MusikBlog: Ich habe mir vorgestellt, dass es sehr schwierig sein muss, mit drei verschiedenen Bandmitgliedern zusammenzukommen, die aus drei sehr verschiedenen Genres kommen, und dann noch noch mit einem Plattenlabel zu diskutieren.
Jeppe Kjellberg: Wir kämpfen auch sehr viel intern, weil wir drei sehr starke Charaktere sind. Aber das bedeutet auch, dass wir unser eigenes Universum kreieren. Und wir haben auch bemerkt, dass wir dieses Universum halten müssen. Obwohl es manchmal schwer ist, in dieser Band zu sein, sind wir jetzt sehr zufrieden. Wir sind wie drei Musketiere, die sich gegenseitig unterstützen, die gleichzeitig eine Freundschaft und eine professionelle Arbeitsbeziehung haben. Und das soll immer im Fokus stehen: Wir sind drei Brüder, die gemeinsam ausziehen, um eine gute Zeit zu haben. Das macht es so persönlich. Aber es ist nicht einfach.
MusikBlog: Über die Gigs von WhoMadeWho hört man viel Gutes. Wie wichtig ist es für euch, eure Musik mit visuellen Erfahrungen auf die Bühne zu bringen?
Jeppe Kjellberg: Wir wollten schon immer, wenn wir live spielen, mit einer Band auf die Bühne – also drei Personen, Schlagzeug, Bass, Gitarre, Klavier, Gesang. Seit 2018, als wir zum ersten Mal beim Burning Man waren, haben wir diese Vision, psychedelische Musik zu machen, die sich mehr wie eine Reise als eine kommerzielle Veranstaltung anfühlt. Ab diesem Zeitpunkt rückten visuelle Bilder und unsere Musik immer näher. Musikalisch sind wir über die Jahre bessere Produzenten und DJs geworden – früher waren wir vor allem eine Liveband, da waren unsere Alben noch nicht so stark.
MusikBlog:Hat sich das denn geändert?
Jeppe Kjellberg: Ja, wir sind mittlerweile lieber im Studio, aber wir können immer noch eine gute Live-Show auf die Bühne bringen. Im Studio sind es die kleinen Nuancen, die man live nicht mehr erleben kann. Diese Musik zu adaptieren und auf die Bühne zu bringen, ist aber immer noch im Fokus für uns. Wir machen das jetzt aber mit mehr Dramatik und Vielfalt, es wird emotionaler und die Musik hat Zeit zu atmen.
MusikBlog: Interessant ist dabei, dass ihr für eure letzte Tour mit der Bjarke Ingels Group zusammen gearbeitet habt, was für viele visuelle Eindrücke gesorgt hat. Wie hat sich das für euch angefühlt?
Jeppe Kjellberg: Für uns war das wirklich großartig, weil wir als Trio-Punk-Diskothek oder wie auch immer man es nennen soll, ein vollständiges, energetisches Live-Set hatten. Wir brauchten aber dringend etwas Neues, wir brauchten eine neue Dimension. Und dann haben wir die Bjarke Ingles-Leute beim Burning Man 2018 getroffen. Sie hatten diese gigantische Kugel dabei, die 30 Meter Durchmesser hatte. Am Ende haben wir eine kleine Version dieser Kugel für unsere Live-Shows gebaut – sie war 5,5 Meter im Durchmesser. Außerdem haben wir einen Bereich erschaffen, indem die Visuals auf große Flächen geworfen werden können. So enstand ein völlig neues Niveau für unser Konzert, dadurch wird unsere Musik weniger zum Power-Punk-Rave als zur großen Reise. Es wird also viel liebevoller, emotionaler und triumphaler.
MusikBlog: Ich finde das sehr besonders, weil viele elektronische Acts ihre Songs recht unspektakulär auf die Bühne bringen. Auch, wenn sich da mittlerweile etwas ändert.
Jeppe Kjellberg: Für uns war es auch ein Schock, als wir dieses Jahr beim Coachella gespielt haben. Das ist ein Popfestival, ein Musikfestival. Und wir sind Musiker, also liegt uns Musik sehr am Herzen. Es war für uns schockierend, weil hier alles komplett auf die Show fokussiert war. Es gab fast keine Bands, sondern meist nur einen DJ mit Sänger. Aber das ist nun mal Amerika, richtig? Das ist aber nicht das, wofür wir stehen. Wir möchten ein neues Level für unsere Show erschaffen – aber ich liebe natürlich auch diese sehr puritanische Version. Du gehst zu einem tollen Club und spielst einfach dein verdammtes Konzert. Beides hat seine Vorteile.
MusikBlog: War diese Erfahrung auch der Auslöser für euer eigenes Festival?
Jeppe Kjellberg: Ich denke, “The Moment” entstand bei uns vor allem aus einer Vision, weil wir aus Kopenhagen in Dänemark kommen. Wir haben eine schöne Szene für Jazz und auch Popmusik in Dänemark, aber die elektronische Szene ist hier nicht so stark. Beim “The Moment” Festival laden wir – jetzt schon zum dritten Mal – DJ-Freund*innen aus aller Welt in ein kleines dänisches Städtchen ein. Es ist kein großes Festival. Es war zweimal so groß wie letztes Jahr, aber es sind immer noch erst 2.000 Personen.
MusikBlog: So ein Festival ist auch viel Arbeit… lohnt sich das?
Jeppe Kjellberg: Für uns ist es super schön, diese besondere Atmosphäre zu uns nach Hause zu bringen. Aber es war wirklich hart – als Veranstalter ist ein Festival sehr anstrengend. Wir haben am Ende kein Geld damit verdient, aber viele Stunden gearbeitet. Aber als wir dann gemeinsam unser DJ-Set gespielt haben, hab ich zu meinen Jungs gesagt: “Leute, seht ihr das? Das ist unser Festival.” Wir haben uns in den Armen gelegen. Wir sind nicht für den Profit im Musikbusiness – es geht uns um die Botschaft. Und es ist wirklich schön, wenn man diese Dinge, die man wirklich liebt, mit der Welt und seinen Freund*innen teilen kann.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.