München und Berlin. „Claim“ und „Favourite Stranger“. Gegensätze, die Jesper Munk scheinbar anziehen. Der gebürtige Münchner wurde als Straßenmusiker entdeckt und sein, von Jon Spencer mit produziertes, 2015 erschienenes, zweites Album „Claim“ zur deutschen Blueshoffnung. Da wurde sogar der Vergleich mit Tom Waits gelb unterstrichen.

Doch Jesper Munk zog es nach Berlin und mit „Favourite Stranger“ auch das Falsett in seine Stimme ein. Souliger und deutlich jazziger hat er mit Soundtüftler Mocky seinen Stil neu definiert.

Mit „Yesterdaze“ liegt nun sein sechster Longplayer vor. Nach zwischenzeitlichen Postpunk-Berührungen als Bandmitglied von P.D.O.A. und dem Coveralbum „Taped Heart Sounds“, wohl auch die Krönung seines Musikerdaseins.

Das mit den Cassette Heads analog eingespielte Album lässt auch New Wave, Indie-Pop und Blues Einfluss nehmen. So verdient sich der Longplayer das Prädikat facettenreich aber auch melancholisch selbstreflektiert. Jesper Munk scheint mit seiner gehypten Blues-„Wunderkind“-Frühphase Frieden geschlossen zu haben und überrascht mit einem umso gefestigten, neuem Sound.

Jesper Munk beweist schon beim eröffnenden Titeltrack und den einleitenden Worten „My intentions are good“ seine Croonerqualitäten, die sich im Laufe des Albums nicht nur mit Soul und Jazz vermengen.

Ob das im Bass-Wogen schwofende New Wave haschende „Tiny Heart“, das im Rausch des Croonens pulsierende „Rush“ oder „Ivory Tower“s piano- und gitarrenbelebter Soul, der sich sanft mit dem R&B vermählt. Die instrumentale Pracht jedes einzelnen Songs ist hervorragend arrangiert und ein jeder Ton, jeder Klang trägt zum ganzen Gelingen bei.

Die Triangel scheppert, die Orgel stottert und „Not To Lie“ findet sich in Jespers hallend, beschlagener Stimmlage wieder, die zum Engtanz bittet. Überhaupt zeigt man sich romantisch beseelt, wenn die „Champagne Shoes“ abgelegt werden oder „Hold on Me“ zur flehenden Liebesbekundung wird.

„Greenscreen“ wirbt mit souligem Keyboardspiel und Gesangsbegleitung um Hörerschaft, die sich spätestens bei Jespers schmelzender Stimmlage einfindet. Wie ein Glas warme Milch mit Honig sorgt sein Gesang für ein warmes Gefühl in der Bauchgegend.

„Neon Blood“ zeigt sich nach einem Dutzend Titel versöhnlich mit dem Piano und dem eigenen Können. Als der große Effektzampano mit Percussionbegleitung gleitet Jesper Munk glücklich berauscht tiefer in den heimischen Sessel und man ist schnell versucht, die Repeat-Taste zu drücken.

„Yesterdaze“ gibt sich vielseitig, Genres verschmelzend und konzentriert sich doch auf Munks eindringlichem Gesang, der sich wohlig wärmend in der Akustik der Instrumente bettet. Der analoge Produktionsansatz ist hör- und fühlbar, was dem Album einen reduzierten Motown-esquen Touch verleiht und so manchen Klangenthusiasten verzücken wird.

Egal, ob München, Berlin oder sonst wo, live gespielt wird „Yesterdaze“ ein großartiges Klangerlebnis. Ganz ohne Hype.

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