Ist das schon ein Soundtrack für einen melodramatischen Coming-of-Age-Film in Sepia-Farben oder noch ein Album? So ganz wird man das Gefühl bei „alte möbel und junge nervositäten“ nicht los, dass Luis Schwamm hier direkt das begleitende visuelle Element mitgedacht hat, so dicht stehen Storytelling und Atmosphäre auf dieser Platte nebeneinander. Deutschlehrer*innen mögen das.

Tatsächlich ist es so: Dieses Album würde eine sehr gute Figur auf dem heimisch-großen Bildschirm machen. Das, was Luis Schwamm auf seinem ersten Solo-Album macht – ursprünglich war der in Köln lebende Musiker als Sänger der Band Noth bekannt geworden – ist eine Reise durch Sehnsuchtsorte und Allgemeinschauplätze. Kennt man schon, hat man so schon gefühlt. Schön ist es dennoch.

Irgendwo zwischen Kettcar und Enno Bunger findet Schwamm seine Worte, die oft recht hochtrabend geraten und auch im nächsten Deutsch-Leistungskurs analysiert werden möchten.

Ein bisschen weniger von dieser poetischen Überdramatik hätte der Platte sicher gutgetan, ausgeglichen wird das aber auf musikalischer Ebene von einer sehr stilvollen Mischung aus schlichtem Singer/Songwriter und reduziert opulentem Kammer-Pop.

Immer wieder schichtet Schwamm dafür verschiedene Instrumente und Harmonien übereinander, teils kommen gar Streicher auf die Bühne. Das ist meist eher sphärisch und faserig, nur sehr selten mal laut und bestimmt.

Dazu singt Schwamm mit gedeckter Stimme so kluge Sätze wie „Was bleibt übrig, wenn der Zweifel fertig ist?“ oder „Das ist kein echtes Lachen, das ist bloß Zwerchfell-Gewitter“ und das muss man genau so auch hören wollen.

Wer einen Sweet Spot für leicht kauzigen deutschen Singer/Songwriter-Sound hat, wird sich daran erfreuen können, was die Platte „alte möbel und junge nervositäten“ im späteren Verlauf noch wagt.

Etwa, sich auch mal leidenschaftlicher aufzubauschen und in dickere Soundwände zu verfallen („Immer Noch Hier“) oder einen sehr schönen Storytelling-Moment im großen Finale der ganzen Platte zu platzieren („Ich Glaube Nicht“). Klug getextet und arrangiert ist das allemal.

Wer schon beim pathetischen Titel negative Gänsehaut bekommt, wird in der monochromatischen Melancholie dennoch keine große Freude finden.

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