Ariel Oehl ist ein Feingeist und liebt die Rilksche Lyrik, die ihn wohl für sein neues Album „Lieben Wir“ als Inspiration diente, ebenso wie die Liebe für sich. Nur lässt er offen, ob der Albumtitel Frage oder Feststellung ist. Nach der Trennung vom musizierenden Partner Hjörtur Hjörleifsson wandelt der Österreicher Oehl in der akustischen Schöngeistigkeit wohliger Melodien und Rhythmen.
Gemeinsam mit Ami Warning wird so sogar der „Weltenuntergang“ zum geigenverhangenen schwofenden Schlafzimmerpop, das im wohligen Gleichklang der Stimmen gleich nochmal die Bettdecke über den Kopf zieht, um „Feuchte Augen Für Alle“ zu vermeiden, einem beschwingt lockeren Gitarrentitel, der erneut mit Streichern und weiblicher Begleitstimme den Umstand kaschiert, dass Oehls gehauchter Gesang – oftmals unverständlich genuschelt – genaueres Hinhören erfordert.
„Lasso“ lässt die klare Produktion von Niklas Apfel in melodischen Gitarrenklängen schwelgen, bevor sich „I Love You“ als Neuinterpretation eines Kinderliedes mit poppigem Schlagertouch neu erfindet, das mit unwiderstehlichem Refrain Oehl zu neuen Höhen führt.
Die Liebe in all Ihren Facetten möchte Ariel Oehl zeigen, darunter auch so bittere Feststellungen wie die entschleunigte Ballade „Ich Weiss Nicht Wie Man Jemand Bittet Zu Bleiben“ oder das zarte, unaufgeregte „In Diesem Jahr Reden Wir Nur Gut Voneinander“. Eine wundersame Dynamik hält diesen Titel fest im Griff, der mit zahlreichen Klangwelten den Hörer in die Musik von Labelpartner Philipp Poisel entführt.
Eine wundersame Aneinanderreihung von tiefgreifenden Worten mit noch tiefschürfenderen Bedeutungen, gebettet in akustische Musik, die auch Titel wie „Willi“ oder das folgende, schwermütige „Nett Hier, Aber Waren Sie Schonmal In Therapie“ ausmacht.
Letzter Titel jedoch darf sich als großartige Komposition verstehen, das mit posaunender Zweitstimme und Streicherbegleitung die Welt um sich herum in die Watte der Melancholie hüllt, die mit „Facebook“ etwas heiterer wird.
Leider verliert sich Oehl im Laufe seines Konzeptalbums etwas in den eigenen Gedankenwelten und der angesprochene Gesangsstil macht es schwierig, zu Songs wie „Kleinigkeiten, Die Keine Sind“ Zugang zu finden. Da kann die Saitenakustikuntermalung noch so einladend sein.
Da freut man sich über „Ein Echtes Lachen“. Das schwindet im Schlagzeugrhythmus und schmilzt in seiner emotionalen Überschwänglichkeit, freut sich auf Juli und Eva Briegel, die auf „Eine Umarmung“ nicht nur gesanglich belebend einwirken. Der freundliche, eindringliche Refrain vermag sofort im Ohr zu verweilen und spielt wunderbar mit dem Duettgesang.
„Rosa Gabriela Jun.“ wendet sich dem Piano zu, während „Levin“ das Album verflüchtigt.
Im Sinne von Oehl, möchte man die Rezension mit Rilkes Worten zu Ende führen. „Lieben ist: Leuchten mit unerschöpflichem Oehle“. Oder so ähnlich.