Mit ihrem dritten Album „Bird“ schaffen die Oxforder von Low Island einen Balanceakt zwischen spiritueller Erhebung und alltäglicher Menschlichkeit. Aufgenommen in den legendären La Frette Studios und produziert von Chris Taylors (Grizzly Bear) erfahrener Hand, entstand hier ein Werk, das den Kampf um Freiheit und Präsenz in einer zunehmend automatisierten Welt erforscht.
Das Album entwickelt sich als emotionale Reise durch zehn Songs, die von glockenartigen Synth-Landschaften und träumerischen Arrangements geprägt sind. Diese bauen kontinuierlich auf und ebben nach intensiven klanglichen Höhepunkten wieder ab.
Carlos Posadas Stimme schwebt dabei zwischen Melancholie und Verletzlichkeit – sein Falsett wird zum emotionalen Anker. Die instrumentalen Arrangements tragen unüberhörbare The-1975-DNA, während Jamie Jays Gitarren zwischen Wut und klagender Sehnsucht pendeln.
Der Opener „Only You“ etabliert die zentrale Formel: Was mit bedächtigem Gesang und einfacher Instrumentierung beginnt, explodiert gegen Ende in der Wucht der gesamten Band.
Diese Dramaturgie zieht sich durch das Album wie ein roter Faden und verleiht den Songs eine fast spirituelle Dimension. Besonders die ruhigeren Tracks entwickeln einen hymnischen, emotional tiefgreifenden Charakter.
„Spit It Out“ sticht als Höhepunkt heraus und demonstriert Low Islands härtere, energetischere Seite, angetrieben von Felix Higginbottoms donnernden Drums. Die rohere Gangart dieses Tracks kontrastiert mit der sonst vorherrschenden Kontemplation.
Während „This Is Water“ als sanfte Ballade mit Texten wie „If only we could keep our heads above the water“ Hoffnung macht, avanciert „Great Dream“ zu einer potenziellen Indie-Rock-Hymne. Der Song eröffnet mit strahlenden Akkorden und weitläufigen Synthesizer-Flächen – und macht seinem Titel alle Ehre. Traumähnliche Sphären entfalten sich – bis eine raffinierte Gitarren-Hook in die Realität zurückführt.
„Follow Your Direction“ experimentiert mit Vocoder-Gesang, während sich die klagenden Synth-Klänge zunehmend ins Abstrakte verlieren – ohne dabei an emotionaler Glaubwürdigkeit einzubüßen.
Der Übergang zu „Machine Lover“ bringt willkommene funkige Elemente mit sich, untermalt von den vertrauten glockenartigen Klängen, die dezent im Hintergrund weiter plätschern.
Doch in dieser musikalischen Sicherheit liegt auch die größte Schwäche von „Bird“: Die Songstrukturen bleiben vorhersehbar, die wiederkehrenden Crescendos verschwimmen nach einer Weile zu einer gewissen Eintönigkeit.
Die Band bewegt sich in ihrer ästhetischen Komfortzone, was zwar für konsistente Qualität sorgt, aber wenig Abwechslung bietet. Gerade die kantigeren Songs wie „Spit It Out“ und „Machine Lover“ zeigen, was möglich wäre, wenn Low Island mutiger aus ihren gewohnten Bahnen ausbrechen würden.
„Bird“ ist dennoch ein beeindruckendes Album, das seine Hörer*innen in kollektive Momente der Transzendenz führt. In einer fragmentierten Welt bietet es einen Moment gemeinschaftlicher Erfahrung – eine musikalische Meditation, die die überwältigende Breite moderner Erfahrungen in unseren begrenzten Körpern zu bewältigen hilft.