Skunk Anansie verzeichnen als Inbegriff des Alternative-Rock der 1990er eine ruhmreiche Geschichte. Mit dem hymnischen Song „Weak“ (1996), dem spannenden Track „Hedonism“ (1997), ikonischer Gitarren-Arbeit in „Brazen (Weep)“ (1997), „Little Baby Swastika“ (1995) oder „Pickin‘ On Me“ (1996) und mit dem düsteren „You’ll Follow Me Down“ (1999) etablierten sie sich trotz hoher Punk-, Heavy- und Grunge-Affinität gerade im Balladen-Sektor als starke und kommerziell sehr erfolgreiche Größe.
Die Wiederkehr nach langer Auszeit gelang dann ab 2009 nur mit mehreren Label-Wechseln. Einprägsame neue Stücke gelangen seither äußerst selten. Zu dem neuen Album „The Painful Truth“ kann man der Londoner Crew nun allerdings nur gratulieren.
Fast hätten sie sich abgeschafft, wenn das jetzt nichts Großes geworden wäre. „Wir würden sonst einfach nur Skunk-Karaoke machen“, bemerkt Frontfrau Skin selbstkritisch. „Unsere Greatest Hits-Tour haben wir hinter uns und stellten fest, dass sich die Dinge ändern mussten.“
In einem Bauernhaus in südenglischen Devon taten sie das, in Cornwalls Nachbar-Region. Und zwar einschneidend. Hier tankte die Band Ruhe, bekochten sich die vier Mitglieder gegenseitig. Dabei entwickelten sie etliche neue Rezepte für ihren Sound. Die Hälfte der Songs zielt jetzt auf Elektro oder baut auf Elektro-Pop-Feuerwerken auf.
Wohl gemerkt: Gekonntem Elektro-Pop, auch wenn er von einer fachfremden Gruppe stammt. Die geglückte Neuerfindung geht so weit, dass „Animal“ im Grunde fast genauso von Lady Gaga stammen könnte.
Eine klassische Skunk-Anansie-Stärke belebt die Combo erfolgreich wieder: Bei anspruchsvollen Balladen macht den Engländern wohl kein Alternative-Act etwas vor.
Über Glück, Lektionen des Lebens, Verführungen, Einsamkeit, Düsternis, das Überirdische und weiter große Themen lässt Skin sich hinreißend gefühlvoll in „Meltdown“ aus.
Skins Stimm-Sicherheit macht einen großen Anteil am Gelingen des Albums aus. Jedoch geht der geschichtliche Hintergrund, dass es sich mal um eine Rockband handelte, weitgehend verloren. Lediglich der garage-punk-verwandte Einstieg „An Artist Is An Artist“ mit quietschenden, schrägen Stör-Akkorden ruft diesen Aspekt ins Gedächtnis.
Ausgerechnet dieses Experiment koppelten Skunk Anansie als Single aus – ein mutiger Entschluss. Ein bisschen rockig zeigt sich außerdem noch das schwächste Stück, das plakative „Cheers“.
Der brodelnde Big Beat von „My Greatest Moment“ stellt dagegen eine wirkliche Bereitschaft zum Ausprobieren und Risiko unter Beweis. Dieses Wagnis ist mindestens interessant zum Anhören.
„The Painful Truth“ markiert einen neuen Abschnitt in der Band-Historie mit einer neu gewonnenen Qualität. Denn egal, ob einem der neue Stile-Mix zusagt und man auf Synth-Loops steht, ist das Album handwerklich gute Arbeit und ein kreativer Bruch mit dem vielfach Erprobten.