Es ist schon ewig her, dass beim legendären, sonntäglichen „Pop nach 5“ im Leipziger Haus Auensee das Flehen von Nicht-Stock-Aitken-Waterman-affinen Diskogänger*innen vereinzelt Gehör fand, und der Schallplattenunterhalter tatsächlich „Panic“ von den The Smiths spielte.
Jahrzehnte später hatte sich an dieser Stelle ihr Frontmann Morrissey angesagt, und im ausverkauften Saal waren sicher viel weniger „Shoplifters Of The World“, dafür umso mehr ein in gespannter Erwartung versammeltes Publikum vereint.
Einige von ihnen schwangen augenscheinlich bereits bei eingangs erwähnter Veranstaltung das Tanzbein, ein Blick in die Runde verriet, dass sich die Fans des 66-Jährigen aus allen Altersgruppen rekrutieren.
„Meat Is Murder“ zum Trotz war der Grill vor dem Eingang gut besucht, bevor anstelle eines physischen Supports ein von musikalischen All-time-Favorites des Protagonisten untermalter Kurzfilm den Abend startete, dessen Inhalte und vor allem dessen Länge auf ein geteiltes Echo stießen, schließlich war der Aufenthalt in dem – klimatisch dem Gondwanaland des hiesigen Zoos ähnelnden – Venue eine Herausforderung.
Mit „Shoplifters Of The World Unite“ eröffnete der – palmwedel-artige Pflanzenteile schwingende – Morrissey ein Konzert, dessen Choreografie sich neben einigen Smiths-Klassikern auf eine Auswahl aus seinem inzwischen reichhaltigen Fundus aus 13 Soloalben stützte, die dabei nicht nur die Flaggschiffe seiner Platten berücksichtigte.
Wegen schwindender Energie und dem Vorwurf mangelnder Unterstützung seitens der Musikindustrie hatte der Exzentriker zuletzt Skandinavien-Gigs gecancelt, das schmissige „You’re The One For Me, Fatty“ fegte gleich zu Beginn Zweifel an seinem aktuellen Leistungsvermögen von der Bühne.
Seine Verdienste für die Musikgeschichte bleiben unbestritten. Dass der Breitbandprovokateur kontinuierlich mit Aussagen zu unterschiedlichsten Themen irritierte, sollte für sein Publikum am gestrigen Samstag keine Rolle spielen. Die waren hier, um die Gelegenheit zu nutzen, live in seine Songs und sein Charisma einzutauchen, das früh gesetzte „All You Need Is Me“ hatte daher für den Verlauf des Abends durchaus programmatischen Charakter.
Morrissey, erst im vergangenen Jahr bei Nick Cave, generell ein Bewunderer seiner Lyrik, mit dem Vorschlag für eine Kollaboration abgeblitzt und aktuell neben Robert Smith auch auf die Brüder Mael der Sparks nicht gut zu sprechen, sah dass auch kaum anders und war eher zum launischen Wortspiel aufgelegt, punktuelle (gesellschafts-)politische Statements wurden von der Euphorie des jeweils folgenden Stücks mitgerissen.
Die internationalen Musiker*innen aus den USA, Kolumbien und Italien um ihn herum – die sich am Ende einzeln vom Publikum verabschiedeten – lieferten vor der wechselnden Kulisse aus Bildern einer Zeit, in der auch im Königreich die Fronten zwischen Freund und Feind noch einfach zu ziehen waren, lautes und solides Handwerk.
So spielte das angeheuerte Tour-Quintett vom ikonischen „How Soon Is Now“ über „I Ex-Love You“ über bis „Istanbul“ kaum einen Fußbreit neben dem Original.
„Everyday Is Like Sunday“ avancierte gemeinsam mit dem Stimmen aus dem textsicheren Publikum zum Highlight. Nach einem sich dramatisch verdichtenden Finale aus „Jack The Ripper“ und „I Will See You In Far-Off Places“ verschwand der Protagonist nach gut 70 Minuten im Nebel aus dem Sichtfeld seiner Anhängerschaft.
„Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me“ sang Morrissey im Nachschlag, bevor er nach dem Rausschmeißer „Irish Blood, English Heart“ partiell blank zog.
Für kommende Traumnächte rekrutierte der Mozzer im Leipziger Publikum bestimmt einige Kandidat*innen, sorgte mit der Erinnerung an ein zwar kurzes, aber intensives Konzert dafür, dass der folgende Sonntag gleich viel weniger „silent and grey“ erschien.