Mit ihrem vierten Studioalbum „Dance Called Memory“ stellt Nation Of Language eindrucksvoll unter Beweis, dass sie mehr sind als nur eine Synth-Pop-Retrospektive.

Die Band aus Brooklyn, bestehend aus Frontmann Ian Richard Devaney, Synth-Spezialistin Aidan Noell und Bassist Alex MacKay, hat sich bereits mit ihren früheren Alben als emotionale Chronisten der modernen Melancholie etabliert. Doch dieses Album geht über alles bisher Dagewesene hinaus: es ist ein Rückblick voller Wut, voller Wehmut und einer leisen, liebevollen Kapitulation.

„Dance Called Memory“ ist ein Album über die fragile Natur von Nähe und Erinnerung, eingefasst in ein klangliches Gerüst aus analogem Nebel, klirrenden Synth-Teppichen und drum-machine-getriebenen Rhythmen, das unweigerlich an die kühle Präzision von Kraftwerk und die melancholische Tanzbarkeit von New Order erinnert.

Schon die vorab veröffentlichten Singles wie „Inept Apollo“ und das bewegend intensive „In Your Head“ pendeln zwischen träumerischer Flucht und schonungsloser Wirklichkeit. Dabei gelingt der Band das Kunststück, nie in Kitsch oder Dystopie abzurutschen. Stattdessen: feinsinnige Eleganz.

Es wäre leicht, Devaneys Gesang mit dem Pathos von Ian Curtis oder dem Nachbeben von David Sylvian zu vergleichen, aber das würde dem nicht gerecht. Denn hier singt jemand, der gelernt hat, seine Trauer zu formen, nicht zu verstecken.

Besonders deutlich wird das im Herzstück des Albums, „Now That You’re Gone“, das aus einer persönlichen Erfahrung rund um Krankheit und Verlust hervorging. Die Emotionalität ist nicht inszeniert, sie liegt offen da, verletzlich, ungeschützt.

Produzent Nick Millhiser (LCD Soundsystem, Holy Ghost!) beweist einmal mehr ein feines Gespür dafür, wie viel Raum Traurigkeit eigentlich braucht. Statt bloßer Retro-Glätte wirkt das Album wie ein aufrichtiger Versuch, elektronischer Musik neues Leben einzuhauchen, durchzogen von genau der richtigen Dosis Shoegaze-Schwärze.

Sehr eindrucksvoll gelingt das auf „I’m Not Ready for the Change“, das mit zersplitterten Beats und flirrenden Synths die Unaufhaltsamkeit des Wandels vertont.

Wer hier auf Synthpop der seichten Sorte hofft, wird überrascht sein: „Dance Called Memory“ ist ein intimes, atmosphärisch dichtes Werk, das Verletzlichkeit nicht kaschiert, sondern kultiviert.

Es klingt nach Club, aber auch nach Schlafzimmer. Nach Abschied und Neuanfang zugleich. Und vielleicht ist genau das die Stärke dieser Band: Momente zu erzeugen, die einen nicht nur erinnern lassen, sondern fühlen, in einem Zeitalter, in dem beides zunehmend zu kurz kommt.

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