SOHN hebt ab. Aber nicht mit bombastischen Beats oder charttauglichen Refrains, sondern mit einem Album, das klingt, als hätte er sich in seinem Heimstudio in den spanischen Wäldern ein Raumschiff aus analogen Synthesizern gebaut.

„Albadas (Dawn Songs)“ ist ein halbstündiges, rein instrumentales Ambient-Album – und damit nicht nur ein mutiger Schritt, sondern auch ein völlig neues Kapitel für den britischen Produzenten.

Kein Gesang, keine Lyrics, keine Beats – dafür offene Räume, fragile Texturen und eine Atmosphäre, die zwischen Hoffnung, Melancholie und dem Gefühl, sich in einer Science-Fiction-Realität zu verlieren, pendelt.

„Let Go“, der Opener, empfängt uns warm und atmend – wie ein musikalisches Zwerchfell, das sich sanft hebt und senkt. „Seva“ lässt zwei kontrastierende Melodien umeinander kreisen, wie zwei Gedanken, die nicht zur Ruhe kommen wollen.

In „Breve“ erhebt sich ein einzelner Synthesizer zu einer tragischen Solostimme – so präsent und verletzlich wie ein Saxofon in einer verrauchten Bar, nur eben digital.

Wer aber bei Ambient nur an Meditations-Playlists denkt, wird spätestens bei „Ascent“ eines Besseren belehrt: Mit seinen bedrohlich pulsierenden Bassflächen erinnert der Track an die klaustrophobische Klangwelt des Alex-Garland-Films „Annihilation“ – jener Sci-Fi-Erfahrung, bei der sich Schönheit und Gefahr so untrennbar vermischen, dass man sich gleichzeitig angezogen und unwohl fühlt.

Das Album ist aber keineswegs nur dunkel: „Timelapse“ zum Beispiel funkelt neugierig wie ein Sonnenstrahl, der sich durch eine schwere Wolkendecke kämpft.

Das Finale „Is Love Permanent, Or Does It Evaporate With Us?“ ist ein traumartiger Abschied in den Ambient-Kosmos – weite Synth-Flächen flirren zwischen Unsicherheit, stiller Traurigkeit und einer fast friedlichen Ruhe. Als würden sich Wellen aus Trauer und Trost abwechselnd an einen heranspülen – und dabei untrennbar ineinander übergehen.

Begleitet wird das vierte Album des Künstlers von einem stimmungsvollen Kurzfilm, gedreht im spanischen Empordà, der die Songs mit warmen Orangetönen und alltäglichen, fast zerbrechlichen Momenten untermalt. Auch hier: kein Pathos, sondern echte Emotion, festgehalten im zarten Licht des Tagesanbruchs.

SOHN verzichtet auf Worte – und findet gerade darin eine neue Tiefe. „Albadas (Dawn Songs)“ ist introspektiv, aber nie abgehoben. Es lädt zum Loslassen ein, aber auch zum genauen Hinhören.

Vielleicht ist das Album am Ende tatsächlich eine Art Weltraumreise – nicht durch Galaxien, sondern durch innere Landschaften. Und SOHN ist dabei der ruhige Pilot, der uns durch ein Sounduniversum steuert, in dem alles möglich scheint – selbst in der Stille.

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