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Crows – Silver Tongues

Noch eine belanglose Trittbrettfahrer-Band auf der großen Post-Punk-Welle? Wer das Crows-Debüt “Silver Tongues” wirklich anhört, wird jedes genervte Augenverdrehen schleunigst unterlassen.

Als Signing bei Balley Records, dem Label von IDLES-Frontmann Joe Talbot, ist das britische Quartett natürlich schon allem Anschein nach mit der großen, frischen Community verbunden. Doch mit nüchternem Blick auf die Musik stellt sich die Brücke gar nicht so offensichtlich her, wie man zunächst vermuten möchte.

Denn mit kühler Atmosphäre, stoischen Beats und dem schwitzigen Gemecker aus der Garage haben die Crows wenig zu tun. Tatsächlich ist der Sound nämlich luftdicht verpackt, die Gitarrenschichten türmen sich aufeinander und machen so mancher Classic-Rock-Band Konkurrenz.

Immer wieder verfallen die Stücke in ausschweifende Soli (“Hang Me High”) und gehen damit weg von der distanzierten Melancholie, der viele Genre-Gänger sonst verfallen. Auch weitere Sound-Ausflüge verdeutlichen die besondere Herangehensweise der Briten:

So wirft sich der Opener “Silver Tongues” in peitschende Noise-Wellen, während “Wednesday’s Child” in seinem Refrain eine schicke Brit-Pop-Melodie ins Rennen schickt. Ganz anders geht “First Light / False Face” vor, das über sieben Minuten voller sengender Riffs und finsterem Sprechgesang zu einem echten Ungetüm von Song anschwillt.

Diese kleinen Nuancen machen das Debütalbum zu einem überraschend versatilen Erlebnis. Einzig Timbre und Atmosphäre der Crows passen dann doch wie Faust aufs Post-Punk-Auge. Zwar steht hier weniger Sprechgesang und Genöle auf dem Plan, doch immer wieder ergreift Schwermütigkeit den Raum, lässt die Stücke mäandern und zerfließen.

Dieser Grundstimmung widmen sich die vier Musiker etwa in “Chain Of Being” mit voller Hingabe, lassen die Beats den Schmerz wegtragen.

Am Ende bieten die zehn Songs von “Silver Tongues” eine sehr unterhaltsame Zeit, die merklich wenig Platz für Zweifel oder Momente der Einkehr lässt. Lieber noch einmal den Grunge-Noise-Post-Punk-Mix anschmeißen und dabei herrlich selbst bemitleidend mitgrölen: “I’m a coward, I’m a failure / Time and time again”.

Manchmal braucht man ja auch einen Soundtrack für die düsteren Tage.

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