Wer erinnert sich noch an den Sommer 2006? Die Nullerjahre sind in vollem Gange. Das Sommermärchen vor der Haustür. Und in den Ohren das luftig leichte Debüt von The Kooks in den Ohren. 18 Jahre später laden die einstigen Britpop-Helden zu einer musikalischen Zeitreise ein. Kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Studioschaffens „Never/Know“ trafen wir uns mit Chef-Songwriter und Sänger Luke Pritchard zum Interview und sprachen über positive Vibes, Eigenverantwortung und verwirrende Achterbahnfahrten.
MusikBlog: Luke, der Titel eures neuen Albums ist verschiedenerlei deutbar. Was steckt für dich hinter der Botschaft „Never/Know“?
Luke Pritchard: Eigentlich ist es ziemlich simpel. Wir leben in einer Welt, in der vieles im Argen liegt. Die Menschen sind unglücklich, alles ist düster und es gibt keinen Grund, sich auf irgendwas zu freuen. Auf der anderen Seite weiß man aber auch nie, was als Nächstes passieren kann. Alles hat zwei Seiten. Und ich denke, die Welt hat auch unheimlich viel Schönes zu bieten. Das Leben, die Familie, die Liebe: Es gibt so viele Dinge, für die es sich lohnt zu kämpfen. Ich bin ein positiver Mensch und freue mich über die kleinen Dinge. Wir sollten die schönen Dinge auf der Welt nicht aus den Augen verlieren.
MusikBlog: Wie genau haben sich dieser Optimismus und die vielen positiven Gedanken in Musik verwandelt?
Luke Pritchard: Wir haben uns in der Vergangenheit stetig versucht, als Band weiter zu entwickeln. Es kam irgendwie immer Neues dazu. Das Problem ist: Wenn man immer weiter nach vorne will, muss man aufpassen, dass man sich auf dem Weg nicht verliert. Ich wollte diesmal einfach ein paar Schritte zurückgehen. Ich wollte wieder zurück zu unseren Wurzeln und zu unseren eigentlichen Einflüssen. Ich habe mich dann irgendwann hingesetzt und fünf Tage lang einfach nur alles fließen lassen, es sprudelte regelrecht aus mir raus. Ich habe danach die Band zusammengetrommelt und wir haben beschlossen, die neuen Sachen komplett alleine in die Hand zu nehmen. Und dann sind wir zusammen ins Studio – ganz wie in den alten Tagen. Da waren nur wir und unsere Songs. Das fühlte sich wieder an wie damals, als wir unser Debütalbum einspielten. Das war ein tolles und durchweg positives Gefühl.
MusikBlog: Du sprachst von der Rückkehr zu euren Einflüssen.
Luke Pritchard: Ja, ich wollte, dass wir wieder diesen Vibe von damals entwickeln, als wir die Musik von Bob Dylan, Lou Reed, The Police, den Stones und David Bowie in den Ohren hatten. Ich will jetzt nicht übertreiben und von einer größeren Identitätskrise sprechen, aber ich selbst hatte zwischenzeitlich schon das Gefühl, dass auch etwas verlorengegangen ist. Und das wollte ich wieder zurückholen.
MusikBlog: Ist euch diese Stimmungsumkehr leicht von der Hand gegangen?
Luke Pritchard: Natürlich steckt auch viel Arbeit in der Produktion. Ich war ja auch als Produzent tätig, da kommen schon viele Aufgaben auf einen zu. Aber es war auch ein riesengroßer Spaß. Ich meine, heutzutage hat man so viele Optionen, man kann so viele technische Dinge mit einbeziehen. Aber all das wollten wir nicht. Wir wollten uns nur auf uns und unsere Songs konzentrieren. Da waren nur wir, ein paar Amps und sonst nichts. Das war wie früher. Und so klingt das Ganze dann auch.
MusikBlog: Bei all der Leichtigkeit, war da bei dir als alleiniger Produzent nicht auch ein Druckgefühl vorhanden?
Luke Pritchard: Um ehrlich zu sein, die Jungs haben mir schon ordentlich Dampf gemacht: Wenn du alles im Griff haben willst, dann sollte das Ergebnis schon ordentlich was hermachen, erklärten sie mir. (lacht) Sicher, ich spürte schon eine gewisse Last auf meinen Schultern. Aber am Ende war die Arbeit selbst ja nicht schwer, sondern eher, wie schon erwähnt, ein ziemlicher Spaß.
MusikBlog: In welcher Produktionsphase fühlst du dich als Musiker am wohlsten?
Luke Pritchard: Ich glaube, dass ich mich am glücklichsten fühle, wenn ein Song gerade entsteht. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich in meinem Zimmer saß und die erste Idee zum Song „Sunny Baby“ entstand. Das war großartig. Später habe ich ein paar Drumbeats reingemischt und ich weiß noch, wie ich mich gefreut habe, als ich mir den fertigen Song dann zum ersten Mal angehört habe.
MusikBlog: Ihr habt ein ziemlich cooles Coverlied auf dem Album. Wie seid ihr auf „Arrow Through Me“ von den Wings gekommen?
Luke Pritchard: Zunächst ist der Song im Original einfach ein unglaubliches Meisterwerk. Aber es war auch so, dass ich viele Parallelen entdeckt habe. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren die Wings nicht sonderlich populär. Man sagte, sie seien viel zu seicht und zu cheesy. Das hat man über uns zwischenzeitlich auch gesagt. Bei uns war es auch eine Achterbahnfahrt. Mal zeigten die Leute mit dem Daumen nach unten, dann waren wir plötzlich die Retter des Britpop. Bei den Wings war es ähnlich. Irgendwann hatte man auch das Gefühl, als würden die Leute mehr auf die Wings als auf die Beatles abfahren.
MusikBlog: Wie war das für euch, als sich euer Beliebtheitsstatus beinahe wöchentlich änderte?
Luke Pritchard: Das war schon ziemlich verwirrend. Da waren all die Bands, die irgendwie ähnlich klangen und von denen uns aber keiner wirklich mochte. Und dann waren da aber auf der anderen Seite Leute wie Pete Townsend, die Gallagher-Brüder und die Stones, die uns irgendwie abfeierten. Das irgendwie richtig einzuordnen, war nicht immer ganz so einfach. (lacht)
MusikBlog: Luke, du und Hugh Harris, ihr macht jetzt schon so lange gemeinsam Musik. Was ist das Geheimnis eures Erfolges?
Luke Pritchard: Wir sind total unterschiedliche Menschen und Musiker. Ich glaube, dass genau das der Schlüssel ist. Hugh ist ein fanatischer Perfektionist, während ich das genaue Gegenteil bin. Ich mag es lieber rau und ungeschliffen. Hugh ist auch ein sehr lernwilliger Künstler, der sich ständig weiterentwickeln will. Das Coole ist, dass wir am Ende irgendwie immer zusammenkommen. Das hat natürlich ganz viel mit Vertrauen zu tun. Er vertraut mir und ich vertraue ihm.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.