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The Sea And Cake – Live im Frannz Club, Berlin

Wer sich an diesem Abend durch die Hitze Berlins kämpft, um die Post-Rocker The Sea And Cake aus den USA live im Frannz Club zu sehen, wird belohnt. Der Club ist nämlich klimatisiert und Oase für alle Schwitzenden, die – im Club angekommen – schnell vergessen können, dass draußen noch die Sonne scheint und nur auf sie wartet.

Vor der Tür der Location wartet außerdem noch eine riesige Tanzfläche, auf der – ist das möglich? – tanzende Menschen in kurzen Hosen den Temperaturen trotzen und sich trotzdem bewegen. Selber schuld.

Im Club selbst scheinen die Leute weniger darauf aus, an diesem Abend das halb entkleidete Tanzbein zu schwingen. Bietet sich bei The Sea And Cake auch nur bedingt an, transportiert die rhythmische Gitarrenmusik mit klagend-melancholischem Gesang doch eher zurück in die Sonne, an den Strand oder in einen Cabrio mit Geschichte.

Vielleicht auch beides, performte die Band doch einen Tag zuvor erst in Barcelona auf dem Primavera Sound Festival in bester Gesellschaft und unweit des Mittelmeeres. Das Publikum dürfte auf dem Primavera etwas anders ausgesehen haben. Während sich beim beliebten Festival auf der iberischen Halbinsel junge Fans noch jüngerer Acts wie Lorde tummeln, sind die meisten hier wohl Fan, seit es The Sea And Cake gibt (1994) – der Autor war da noch nicht geboren.

Applaudiert wird laut, als die Band um Sänger Sam Prekop die Bühne betritt. Das Set besteht größtenteils aus Songs des neuen Albums „Any Day“, das auch beim Publikum gut angekommen zu sein scheint. So wird bei „Cover The Mountain“ direkt mitgewippt – das höchste der Gefühle an diesem Abend und Indikator großartiger Begeisterung.

Mitgesungen wird zwar nicht hörbar, ein paar Lippen können aber dabei beobachtet werden, wie sie abwechselnd die Worte zur Musik formen und am halben Liter Bier nippen. Die Bierverkäufe treibt so eine Klimaanlage sicher nicht an – naja, selber schuld.

„Circle“ wird nüchtern mit den Worten „Here is another Song, it’s called Circleangekündigt und ebenso nüchtern abgefrühstückt. Mit dieser Nüchternheit, die nicht eintritt, weil man nichts getrunken hat, sondern weil man sehr früh am Tag damit angefangen hat und den Sonnenuntergang wieder nüchtern erlebt. Leicht verkaterte Sonnenuntergänge könnten die passende Kulisse für die Musik der vier Musiker liefern.

Gitarrist Archer Prewitt hat bei einigen Soli sichtlich Spaß an der Sache, meldet sich aber selten zu Wort, obwohl die Stimme der Band sich kaum kommunikativ bemüht, das Publikum anzusprechen. Wortlose Kommunikation scheint ihnen zu liegen und eine Erfahrung zu transportieren, für die viele Bands sie beneiden würden.

Von Eric Claridge am Bass wird kaum ein Blick zum Zentrum der Bühne geworfen, schon gar kein fragender, und John McEntire, der Drummer, erhält beim Einzählen zwar von rhythmischen Samples Unterstützung, meistert aber Song für Song und sogar Rhythmuswechsel problemlos.

Und wen stören die Plakate mit den Songtexten vor den Füßen Prekops, wenn das Ergebnis so ist wie an diesem Abend. Weil man sich so gut kennt, wird sogar darüber geschmunzelt, dass bei der Ankündigung des Titeltracks „Any Day“ kein Witz gemacht wird, sondern einfach etwas verlegen gesagt wird, was es halt ist. Ein Song namens „Any Day“.

Als Zugabe gibt es „Parasol“ und der einzig passende Kommentar eines weißbärtigen Herren an der Bar: „Oh ja.“ Dazu ein Lächeln, das Geschichten von mehr als 20 Jahren mit einer Band erzählt, die es immer noch kann, es nicht nur macht, weil sie muss. 20 Jahre kennt der Autor nur sein erstes Kuscheltier und seine Eltern.

Die Moral von der Geschicht? Junge Leute sehen Bands wie The Sea And Cake nur durch Zufall, wenn sie auf einem Festival für einen ihrer post-pubertären Lieblingsacts eröffnen – naja, selber schuld.

Vor dem Club wird übrigens immer noch getanzt.

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