Auch dieses Jahr fand wieder das Reeperbahnfestival in Hamburg vom 20. bis 22. September statt. Diesmal mit neuer Vermarktungsagentur, die das Ganze etwas restriktiver für Journalisten handhabte. So war in diesem Jahr nur maximal eine Person akkreditierbar und es waren außerdem 10,- € Gebühr fällig. Auch die Responsivität bezüglich Anfragen, Sponsoring, etc. sowie der Nettigkeitsfaktor war letztes Jahr bei networking Media irgendwie höher.

Der Freitag begann mit Ray’s Reeperbahn Revue wie gewohnt im Schmidt Theater direkt am Spielbudenplatz. Ray Cokes begann mit den üblichen Jokes, diese wirkten allerdings noch etwas angestrengt und Wiederholungen aus dem letzten Jahr und Ray schien irgendwie noch nicht ganz in Hochform. Das Interview mit Bonaparte geriet dann zu einem lustigen Chaos, bei dem auch ein Pferd eine Rolle spielte. Vorher hatte die Band übrigens einen sehr guten Akustik-Auftritt.

Dan Deacon gibt dann alles im Uebel & Gefährlich mit seiner DJ-artigen Live Performance seiner epileptischen Elektronik-Kunst. Am Anfang steht das Publikum noch etwas verschüchtert einige Meter weg vom vor der Bühne mit dem Rücken den Zuschauern zugewandt stehenden Deacon, bis er es ermunterte, doch nach vorn zu kommen. Dann kam auch echte Clubstimmung auf. Nichtkennern sei an dieser Stelle das sehr gute Album und das aktuelle empfohlen.

Tu Fawning aus Portland, Oregon präsentierten im Knust ihr neues Album „A Monument“ und sich selber als Anhänger der Instrumenten-Rotation. Die Live Interpretationen ihrer Songs (nach eigenen Angaben Stilrichtung „Antique – Tribal – Gospel – Dance“) lag qualitativ deutlich über deren Tonträger-Versionen und der betörende Gesang von Sängerin Corinna Repp, im Idealfall nur von einer Trompete begleitet, hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Best Coast im Grünspan boten dann die von ihren Alben bekannte Indie-Rock-Monotonie und motivierten zum zügigen Wechsel ins Café Keese zu Charli XCX. Charli ist nach ihren zwei vielversprechenden EPs “!Franchesckaar!” und “Emelline Art Bitch” in 2008 im letzten Jahr wieder aus der Versenkung mit neuen EPs aufgetaucht. Der freche Grrrl-Sound von damals ist einem modernen, UK-Female-Pop à la Ellie Goulding, Marina And The Diamonds, etc. gewichen, aber Charli (mit bürgerlichem Namen Charlotte Aitchison) macht eine gute Show.

In den Docks bewiesen die Legenden The Undertones mit straighten Punk (ihren größten Hit „Teenage Kicks“ inklusive), dass dieser bis ins hohe Rocker-Alter fit hält.

Am Samstag spielten dann The Jon Spencer Blues Explosion einen kleinen Gig im Zardoz, einem feinen Plattenladen im Schulterblatt 36 im Schanzenviertel. Während Manager Andy hypernervös wirkt, baut Jon Spencer in Ruhe das Equipment auf und Russell Simmins, der etwas neben sich stehend wirkte,  verdrückt erstmal ein Riesen-Sandwich. Jon macht dann wieder eine super Show, als wäre es ein Stadionkonzert und nicht vor ca. 30 Leuten in einem Plattenladen. Einfach immer wieder beeindruckend, mit welchem Enthusiasmus und mit welcher Energie die Blues Explosion live performt.

Angetreten mit der Empfehlung den kanadischen Grammy für die beste Band erhalten zu haben, spielten die Arkells in der überfüllten Prinzenbar schnörkellosen Indie Rock, der selbst dem unterkühlten nordischen Publikum einheizte. Ein bis zum Finale, einer Cover Version von The Clash`s „Rock The Casbah“, überzeugender Auftritt des Quintetts. Arkells sind übrigens auf Dine Alone Records, dem Label, auf dem auch The Jezabels und übrigens mittlerweile auch Marilyn Manson unterzeichnet haben.

Einer der Höhepunkte des Festivals war das Hochzeitsgeschenk aus Leeds: The (“semi-legendary” wie sie sich selbst ankündigten) Wedding Present. In der Großen Freiheit 36 lieferte die Band einen Mix von Songs ihres neuen Albums „Valentina“ und alten Hits. Mastermind David Gedge wurde dabei von Gitarrist Graeme Ramsay, zweifellos ein Gewinn für die Band, und dem charmant unaufdringlichen Bass-Spiel von Pepe le Moko kongenial unterstützt. Britischer kann Indie-Rock kaum klingen.

Große Gefühle versuchte im Cafe Keese Foxes aka Louisa Rose Allen aus London im Café Keese zu erzeugen. Ihr Herz berührender Gesang paarte sich mit Hochgeschwindigkeitstrommeln und schwebte auf einem fliegenden Synthie-Teppich davon. Das Publikum vor Ort folgte spätestens beim Ohrwurm „White Coasts“ relativ willenlos. Und so geriet, was zuerst an Suzanne Vega erinnerte zum Bombast-Sound.

The Temper Trap aus Melbourne, Australien geben dann in den Docks ein semi-aufregendes Popkonzert und versuchen auch live weiterhin vergeblich, ihrem großen Tour- und Albumerfolg (“Conditions”) aus dem Jahr 2009 hinterher zu laufen.

Zum Abschluss dann nochmal Jon Spencer mit seiner Blues Explosion in der Großen Freiheit. Das Outfit ist nun an die große Bühne angepasst (Jeans wurden gegen Lederhosen mit grünen Streifen getauscht) und es werden auch die alten Hits gespielt. Trotz guter Stimmung und körperlich angedeuteter Zustimmung merkt man dem indifferenten Festival-Publikum jedoch an, dass es sich nicht sicher ist, was sie von der Blues Explosion halten sollen. Eine Umfrage hätte sicherlich erschütternd geringe Kenntnisse über die Historie der Band ergeben.

Diesmal also kein emotionaler Abschluss mit Feuerzeug-Atmosphäre, aber trotzdem wieder ein sehr gelungenes Festival. Danke Reeperbahn Festival!

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