Trying To Be Cool? Phoenix haben das nicht nötig. Bewies das Quartett aus Versailles doch mit seinem fünften Album „Bankrupt!“ erneut, dass die tanzbaren Songs im Indiepop-Gewand mit genügend Selbstbewusstsein und Dynamik ausgestattet sind. Alle anderen, die jedoch noch auf der Suche nach einer Anleitung zum Coolsein waren, wurden aber mit ziemlicher Sicherheit beim Tour-Zwischenstopp der smarten Franzosen in der Berliner Columbiahalle fündig und konnten sich abgucken, wie so eine „Laissez-Faire-Performance“ funktioniert.
Nachdem der Support Family Of The Year sein fröhliches, aber am Ende doch über weite Strecken ausdrucksloses Set beendet hatte, konnte es dann nach dem musikalischen Appetizer endlich zum Hauptgang des Abends übergehen, auf den die fast bis zum Rand gefüllte Halle gespannt wartete. Einige davon optisch bestens in den passenden Jacken aus dem „Trying To Be Cool“ Video eingehüllt, deren bunter „Phoenix“ Schriftzug auch noch aus einiger Entfernung gut zu sehen war. Die Newcomer HAIM hatten ihren Aufritt im Vorprogramm von Phoenix zwar kurzerhand aufgrund anderer Verpflichtungen absagen müssen, schummelten sich aber zumindest als kleiner Trost auf die Playlist, die das Publikum während der Umbaupause bei Laune hielt.
Als das letzte Kabel an seinem Platz lag und die Mikrofone auf ihre Tauglichkeit überprüft worden waren, konnte der Startschuss zu den Phoenix-Festspielen beginnen. Und wie könnte es anders sein, legte die Band rund um Sänger Thomas Mars auch mit dem Opener ihres letzten Albums los, der „Entertainment“ nicht nur dem Titel nach verspricht, sondern gleichzeitig als Motto des Abends verstanden werden konnte. In Großbuchstaben. Dafür sorgten Phoenix auf ganzer Linie. Angefangen von der im Hintergrund funkelnden Leinwand, die Song für Song mit bunten Visuals aufwartete und den Zuschauern im Takt die Pupillen erweiterte und natürlich einer musikalischen Gala-Vorstellung der Band selbst, die einen gut gewählten Querschnitt aus ihrem bisherigen Werk präsentierte. Auch, wenn die ersten beiden Alben dabei etwas zu kurz kamen.
Einer Aufwärmphase bedurfte es nicht, um die zahlreich erschienenden Zuschauer davon zu überzeugen den Arbeitstag fleissig tanzend abzuschütteln und zusammen mit einer Horde gut gelaunter Fremder die Freunde aus Frankreich herzlich zu empfangen, die sich von der ersten Sekunde der Show in ihren gut sitzenden Jeans und den gebügelten Hemden mächtig ins Zeug legten. Nur die Frisuren der Band schienen im Laufe des Abends aufgrund der Verausgabung durcheinander zu geraten. Körperliche Ermüdungserscheinungen waren über das gesamte Konzert hinweg nicht einmal annähernd auszumachen. Weder bei der Band, noch beim Berliner Publikum, das gleich in den ersten drei Songs „Entertainment“, „Lasso“ und „Lisztomania“ allen Grund hatte aus der Puste zu geraten.
Von der in der Columbiahalle allgemein herrschenden Euphorie angesteckt, zog es Sänger Thomas Mars mehrere Male an diesem Abend ganz nahe zum Publikum hin. Während der Rest der Band brav auf seinen Plätzen dafür sorgte die Songs mit einer teils beachtlichen Druckwelle bis in den letzten Winkel des Raumes zu jagen, nutzte Thomas die Gelegenheit aus der am Bühnenrand gebildeten Viererkette inmitten seiner Kollegen auszubrechen, um auf der Absperrung stehend die mitsingende Masse in ihrem Rausch aus nächster Nähe weiter anzustacheln. Zeitweise packte ihn dabei so sehr der die Lust sich ins Getümmel zu stürzen, dass er kurzerhand ein Bad in der Menge nahm und dabei sogar bisweilen auf den Zuschauern „stand“, wobei ihn ein paar kräftige Fan-Hände über den Köpfen der Anwesenden in die Luft hoben. Die Gelegenheit für den sympathischen Frontmann auch die Fans auf dem angrenzenden Balkon zu begrüßen, indem er winkend und gut gelaunt die Leute weiter oben in Augenschein nahm.
Der anschließende „Long Distance Call“ wurde dann doch wieder von der Bühne aus getätigt, konnte aber die wieder zwischen Publikum und Band existierende Entfernung problemlos überbrücken. Das passionierte Spiel der Band hatte die Fans ohnehin schon längst mitgerissen. Dieses Gefühl blieb auch bis zum Ende der Show bestehen, in der Phoenix als reizende Gastgeber und erstklassige Entertainer jeden Song pfiffig und mitunter gitarrenlastiger als auf Platte gezielt von einem zum nächsten Höhepunkt jagten. Und das alles ohne dabei in ihrem Auftreten vorhersehbar zu wirken. So ließen sie ein paar der Songs wie zum Beispiel „Trying To Be Cool“, „Drakkar Noir“ oder „Chloroform“ nahtlos ineinander übergehen und entwickelten dabei live einen ganz neuen Antrieb, der darüber hinaus auch noch bestens funktionierte.
Einen ebenfalls gelungenen Streich bot das Stück „Sunskrupt!“, das als eine perfekt inszenierte Verschmelzung von „Love Like A Sunset I“, „Bankrupt!“ sowie „Love Like A Sunset II“ zusammen mit einer auf der Leindwand visualisierten Spritztour durch Paris das Publikum mal eben vom verschwitzt tanzenden Nachbar in die luftig, kurvigen Straßen der französischen Hauptstadt zog. Vor dieser Verschnaufspause kamen Phoenix jedoch mit dem groß angelegten „Run Run Run“ um die Ecke, dessen Anziehungskraft von einem wahren Gitarrengewitter begleitet wurde und sich live als wahres Highlight mit musikalischer Schlagkraft entpuppte. Jedenfalls bis Phoenix kurz vor dem Zugabenset mit „1901“ loslegten und jedes Arm und jedes Bein in der Halle fröhlich zuckte während sich die obligatorischen „Hey Hey Hey Hey Hey Hey Hey“ Rufe des Refrains durch hunderte Kehlen den Weg nach draussen bahnten.
Auch wenn das ein mehr als gelungener Abschluss des Konzertabends gewesen wäre, ließen es sich Phoenix nicht nehmen kurz darauf mit ein paar zusätzlichen Songs die mittlerweile warm gewordenen und gespitzten Ohren erneut mit leichtem Spiel anzulocken. Als Kontrastprogramm zum fulminanten „1901“ wurden dann bei dem nur von Thomas Mars und Christian Mazzalai vorgetragenen „Countdown“ ruhigere Klänge angeschlagen und die Fans in der ersten Reihe durften sich über einen erneuten Besuch von Monsieur Mars freuen. Mit „If I Ever Feel Better/Funky Squaredance“ und „Rome“, einem weiteren Song des Grammy prämierten Abums „Wolfgang Amadeus Phoenix“, beendete die Band ihr mit Hits gespicktes Set und holte sich verdient den folgenden Dauerapplaus mit zufriedenen Mienen ab.
Die eine Party gerade mit Bravour absolviert, konnte sich Thomas Mars mit seinen Kollegen dann anschließend auch beschwingt der nächsten widmen – feierte er doch an diesem Tag seinen Geburtstag und machte dem Berliner Publikum mit solch einem fabelhaften Auftritt im Kreise der restlichen Bandmitglieder wohl das größte Geschenk. Nach einem kurzen Wink von Lead-Gitarrist Laurent Brancowitz gab es gegen Ende des Sets dann auch ein Ständchen der Zuschauer, das allerdings erst so recht im zweiten Anlauf klappen wollte und nach dem ersten gescheiterten Versuch schelmisch mit den Worten „That was not good!“ kommentiert wurde.
Mit einer Reprise von „Entertainment“ verabschiedeten sich Phoenix nach 75 Minuten schließlich in die noch junge Nacht, aber nicht, ohne dass Thomas Mars zu seiner persönlichen Dankestour kreuz und quer durch das jubelnde Publikum aufbrach und dabei den Eindruck erweckte am liebsten jedem einzelnen Fan für sein Kommen danken zu wollen. Merci beaucoup et à bientôt, Phoenix!