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Lloyd Cole – Live in der Manufaktur, Schorndorf

Lloyd Cole liveWie zwei Jahre zuvor hatte Lloyd Cole in der Schorndorfer Manufaktur das von ihm favorisierte Rothaus Bier dabei, nicht jedoch seine Begleitmusiker The Small Ensemble. Dem Briten genügten dieses Mal zwei Akustikgitarren, ein Mikrophon und seine Stimme, um ein abendfüllendes, über 100 Minuten andauerndes Solo-Konzert zu geben. Ausgerechnet nachdem er zuletzt ein elektrisches Album namens „Standards“ veröffentlicht hat. Dabei spielte er an die 30 Songs aus seinem umfangreichen Repertoire und repräsentierte sein aktuelles Werk mit sieben Titeln.

Mit „Past Imperfect“ beginnt eine „strange night“ wie es Cole selbst gegen Ende des Konzerts ausdrücken wird. Der Titelsong von seinem bahnbrechenden Album „Rattlesnakes“ bescherte den Zuhörern ein erstes Gänsehaut-Feeling, die „nackte Version“ brachte sozusagen das Skelett des Titels zum Vorschein. Gleiches widerfuhr den Akustikfassungen seiner „Standards“, neben „Period Piece“, „Diminished Ex“, „Blue Like Mars“ wird es vor allen Dingen „Myrtle And Rose“ sein, das zukünftig einen festen Platz auf Coles Setlists einnehmen wird.

Nach einer brillanten Akustikversion von „Are You Ready To Be Heartbroken“ berichtete Cole, dass er heute schon mit Viv Albertine von The Slits kommuniziert hat, die er als „very exciting“ bezeichnete. Und nachdem er eine wunderschöne Coverversion von „Chelsea Hotel“ zum Besten gab, entschuldigt sich Cole für seine langen graue Haare, die ein Herr in seinem Altern nicht mehr tragen sollte. Aber schließlich sei er bereits elf Wochen auf Tour und an einen Friseurtermin war wohl nicht zu denken. Wiederholt gab sich Lloyd Cole humorvoll, charmant und strahlte zudem eine Eleganz aus, die eher dem inneren als äußeren Erscheinungsbild geschuldet war. Während er „Perfect Blue“ vortrug, animierte er das Publikum mit Erfolg zum Mitsingen und erfreute sich an seiner Fehleinschätzung, dass die Zuhörer hierfür womöglich „too much Indie-Rock“ wären.

Nachdem Lloyd Cole in den 80ern ganz  nahe am perfekten Pop-Song war, scheint er nun perfekte Akustikversionen anzustreben, wobei es den in Massachusetts lebenden Briten nur sympathischer erscheinen ließ, als er das ein oder andere Lied wegen kleiner Ungereimtheiten neu anstimmen musste. Dass er müder als gedacht sei, sagte er gegen Ende des Konzerts, wobei  er von Song zu Song besser wurde, eine herrliche Version von „Pale Blue Eyes“ von Velvet Underground spielte und mit „2CV“, „Perfect Skin“ und „Forest Fire“ abermals sein Meisterstück „Rattlesnakes“ Revue passieren ließ. Auch in diesen akustisch dargebotenen Liedern zeigte sich die Meisterschaft seiner Kompositionen, die hier wie perfekte Skizzen hörbar wurden. Sie scheinen einfacher Natur, offenbaren jedoch ihre Komplexität im sanft-weichen Gesangsstil, den ungewöhnlichen Texten, welche die Melodielinien vorzeichnen, die Lloyd Coles ureigener Intuition folgen und keinem gängigen Vers-Refrain-Vers-Schema.

Akustikkonzerten drückt man gerne Mal den Stempel Folk auf, bei Lloyd Cole sind die Wurzeln des Folk oder Rock nur noch schemenhaft wahrzunehmen, er hat von Beginn an sein eigenes Ding durchgezogen, seine eigene, unverwechselbare Stimme gefunden und sie bis zum heutigen Tag bewahrt. Jene „strange night“, die Lloayd Cole in der Schorndorfer Manufaktur wie einen Auftritt in einem Musikstudio wahrnimmt und ihm den Spiegel vorhält, kommt beim Publikum als Seelen schmeichelndes, bezauberndes und poetisch stimmendes Konzert an.

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