Auf die Balance kommt es an – Maria Taylor im Interview

Maria Taylor (Credit Saddle Creek)Vieles im Leben von Maria Taylor hat sich in den letzten Jahren verändert und die Singer-Songwriterin aus Birmingham, Alabama dazu bewegt auf ihrem aktuellen Album „Something About Knowing“ eine kleine musikalische Kehrtwende zu vollziehen. Wärme, Geborgenheit und Glück bestimmen nicht nur den jetzigen Alltag der Musikerin und Mutter, sondern vor allem auch das Songgerüst, das durch diese Faktoren in fröhlicheren Farben erstrahlt als jemals zuvor. Auch im Gespräch mit uns blitzen die Lebensfreude und innere Gelassenheit immer wieder auf und Maria Taylor berichtet uns von der Herausforderung Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen.

MusikBlog: „Something About Knowing“ vermittelt den Eindruck die Schwermut vergangener Alben wäre verflogen und stattdessen einer noch nie da gewesenen Leichtigkeit gewichen. Hast du seit der Geburt deines Sohnes eine neue Auffassung vom eigenen Glück gefunden?

Maria Taylor: Ja, genau so empfinde ich das. Ich habe mich, was mein Privatleben angeht, noch nie glücklicher und zufriedener gefühlt als jetzt. Natürlich liebe ich es nach wie vor Musik zu machen, aber mein Fokus hat sich ganz klar auf mein Familienleben verschoben. Und das macht mich sehr glücklich.

MusikBlog: Es heisst immer so schön: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Gilt das auch für dich?

Maria Taylor: Das ist ganz sicher so. Je älter man wird, umso genauer findet man heraus, was einen glücklich macht und wie man dorthin gelangt. Irgendwann rücken dir bestimmte Dinge mehr ins Bewusstsein und du fängst an wichtige Entscheidungen zu treffen, die dich direkt zu deiner Vorstellung vom Glück führen, wie auch immer diese aussehen mag. Das ist manchmal schwieriger als gedacht, weil einem das Leben Steine in den Weg rollt und unberechenbar ist, aber ich glaube schon, dass man zu einem großen Anteil selbst dafür verantwortlich ist wie sehr man das Glück zur Tür hereinlässt.

MusikBlog: Hattest du jemals Bedenken, dass sich dieser glückliche Bewusstseinszustand negativ auf deine Musik auswirken könnte? Immerhin leben viele deiner älteren Stücke von der inneren Zerrissenheit.

Maria Taylor: Oh ja, ich hatte Angst davor, was dieses Hochgefühl für meine Musik bedeuten würde. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann kommt es mir so vor, als ob ich mich in der Vergangenheit vielleicht sogar absichtlich immer wieder in schwierige Beziehungen und Umstände begeben habe. Ich habe zugelassen, dass ich kontinuierlich in einen Zustand voller Seelenschmerz und Trauer versetzt wurde und war daran wohl nicht so unschuldig. Das war eine ganze Zeit lang wie der nötige Treibstoff für meine Kreativität. Ich habe aber mittlerweile gelernt, dass ich nicht selbst diejenige sein muss, die am Boden zerstört ist, um einen Song darüber schreiben zu können. Genauso gut kann ich mich nun in andere Menschen hineinversetzen oder Dinge aus meiner Vergangenheit aufgreifen und in meiner Musik verarbeiten, selbst wenn ich so glücklich bin wie jetzt gerade. Ich will schließlich nicht plötzlich eine durch und durch fröhlich gestimmte, ausgelassene Popmusikerin sein, nur weil ich Mutter geworden bin!

MusikBlog: Wir müssen in Zukunft also keine Ohrwürmer im Stil von Pharrells „Happy“ von dir erwarten…?

Maria Taylor: (lacht) Nein, bestimmt nicht! Allerdings muss ich zugeben, dass ich den Song nicht wirklich kenne.

MusikBlog: Pharrells Metapher des Glücks lautet in einer Zeile: „Clap along if you feel like a room without a roof“. Wie sehe denn eine Metapher à la Taylor aus?

Maria Taylor: Das ist eine echt gute Metapher, die er da gewählt hat! Lass mich einmal darüber nachdenken…So sehr ich verstehe, dass alles möglich erscheint, wenn man glücklich ist und es nach oben hin keine Grenzen gibt, so sehr empfinde ich mein persönliches Glück manchmal als das genaue Gegenteil vom „room without a roof“. Glück bedeutet für mich vor allem Geborgenheit. Und zu dieser gehört gerade auch ein Dach über meinem und dem Kopf meiner Lieben, das uns beschützt. Ich drehe den Spieß um, Pharrell!

MusikBlog: Touché!

Maria Taylor: Meine Familie gibt mir so viel Halt und es ist schön zu wissen, dass ich ein so stabiles Zuhause habe. Wenn ich auf Tour bin, vermisse ich all das sehr und wenn ich meinen Mann und mein Kind um mich habe, will ich am liebsten gar nicht mehr weg. Es gibt Momente, in denen schaue ich auf unser Haus, unseren Hund und die vielen Familienfotos an den Wänden und muss automatisch an meine eigene Familie und meine Kindheit denken. Vor ein paar Jahren hätte ich all diese Sachen nicht für möglich gehalten. Das ist ein wirklich großer Schritt für mich gewesen. Nun kann ich mir nichts Schöneres als meine Familie vorstellen.

MusikBlog: Du hast es eben schon kurz angesprochen – wie sehr reflektierst du über deine eigene Kindheit, nun da du selbst Mutter geworden bist?

Maria Taylor: Das geschieht sehr oft und in einem viel größeren Ausmaße als vor der Geburt meines Sohnes. Ich habe einen so großen Respekt vor meinen Eltern und wie sie mich und meine Geschwister erzogen haben. Wenn ich mir mein eigenes Kind ansehe, kommen oft Erinnerungen hoch wie es war als mein Bruder, meine Schwester und ich klein waren.

MusikBlog: Gibt es Momente, an die zu dich besonders gerne zurück erinnerst?

Maria Taylor: Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob es sich dabei um eine wirkliche Erinnerung oder nur die Vorstellung davon handelt, weil ich die alten Familienfotos und die Geschichten dazu so gut kenne. Wir setzen uns auch gerne alle zusammen und schauen uns die vielen Video-Aufnahmen an. Bei uns herrschte immer ein fröhliches Chaos zuhause. Mein Vater hatte andauernd ein Instrument in der Hand und mein Bruder war da ähnlich. Ausserdem war es ganz normal, dass ständig Freunde von uns zu Besuch waren. Das Haus meiner Eltern war ein beliebter Treffpunkt für uns und unsere Schulfreunde und deswegen war auch immer etwas los, wenn jedes Kind mindestens drei weitere Freunde anschleppte. Musik spielte dabei auch eine wichtige Rolle für uns und war jeden Tag in der einen oder anderen Form präsent.

MusikBlog: Das Cover von „Something About Knowing“ spiegelt beim Anblick von Sommer, Meer und Strand die Sonnenseite des Lebens wider. Wie wichtig war es dir bei diesem Album, dein persönlich erfahrenes und in den Songs transportiertes Glück auch in visueller Hinsicht zum Ausdruck zu bringen?

Maria Taylor: Zunächst habe ich mir keine großen Gedanken darum gemacht, aber als ich das Bild sah, wusste ich genau, dass es perfekt zu meinem Gemütszustand passt. Mein Mann hat das Foto während eines Urlaubs gemacht und ich fand diese Momentaufnahme fing sehr gut all das ein, was das Album thematisch ausmacht. Es ist sozusagen ein Portrait meiner Songs. Es zeigt leuchtende Farben, Glück, etwas Natur und dann gibt es da noch diese zwei Stühle, die erahnen lassen, dass es dieses Mal nicht nur um meine eigene Person geht, sondern jemand an meiner Seite ist. Die Einsamkeit vergangener Tage ist vorbei. Und doch gefällt mir gerade die Tatsache, dass keine Personen auf dem Bild zu sehen sind. So ist und bleibt die Aufnahme wie eine leere Leinwand, die jeder für sich selbst nutzen kann.

MusikBlog: Wie ist es denn als berufstätige Mutter eigentlich um dein Zeitmanagement bestellt?

Maria Taylor: Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, weil sich der Plan natürlich andauernd ändert und mein Sohn mehr oder weniger den Rhythmus bestimmt. Dabei ist Schlaf unglaublich wichtig. Gerade wenn die Kinder klein sind, bekommt man davon leider viel zu wenig, aber ich versuche da eine gute Balance zu finden. Schon allein deswegen, weil ich dann ausgeglichener und zufriedener bin und sich das ja auch auf mein Kind überträgt. Egal wie sehr man jedoch versucht eine Struktur in den Alltag zu bekommen, sie wird normalerweise schnell umgeworfen. Ich muss mich wohl daran gewöhnen, dass das erst einmal so bleibt. Hoffentlich aber nicht für immer! (lacht)

MusikBlog: War es während der Albumaufnahmen überhaupt möglich, halbwegs strukturiert an den jeweiligen Songs zu arbeiten oder musstest du den Flexibilitätsbegriff noch weiter ausdehnen?

Maria Taylor: Das war zum Glück nicht so schwierig wie es vielleicht von aussen wirkt. Ich habe wieder mit Mike Mogis zusammengearbeitet, was sehr dazu beigetragen hat, dass die Aufnahmen ziemlich entspannt abliefen. Gleich neben seinem Studio gibt es ein Gästehaus, in dem ich mit meiner Mutter und meinem Sohn wohnen konnte, was sehr praktisch war. So konnte ich immerzu schnell zwischen Studio und Kinderzimmer hin und her eilen. Ausserdem arbeitet Mike ohnehin wie ein verrückter Wissenschaftler und springt von einer Sache zur nächsten und wieder zurück. Es war für mich also kein Problem mal kurz zur Tür rauszurennen und dann wieder in einen bestimmten Song einzusteigen. Das ging ungefähr zwei Wochen lang so und hat perfekt funktioniert. Damals habe ich doppelt so viel Zeit im Studio verbracht. Jetzt reduziere ich solche Verpflichtungen im Studio wie auch das Touren um die Hälfte und es klappt trotzdem. Ich fühle mich deswegen keineswegs eingeschränkt. Es kommt alles darauf an, das Zeitfenster ein wenig enger zu stecken.

MusikBlog: Mit dem letzten Song auf dem Album „A Lullaby For You“ hast du die Herausforderung angenommen ein Wiegenlied zu komponieren. Gab es begleitend zum Entstehungsprozess eine Testphase?

Maria Taylor: Ja, allerdings fand diese unbewusst vor dem eigentlichen Schreiben des Songs statt. Das Lied ist tatsächlich entstanden als ich meinen Sohn in den Schlaf sang. Ich kam immer wieder auf diese Melodie zurück, wenn ich ihn im Arm hielt und irgendwann schrieb ich dann einen Text dazu. Die Testphase verlief so erfolgreich, dass ich mich dazu durchrang der Melodie ein paar Worte hinzuzufügen.

MusikBlog: Zu welchen Klängen schläfst du denn am liebsten ein?

Maria Taylor: Komischerweise kann ich überhaupt nicht einschlafen, wenn Musik läuft. Das war schon immer so. Ich fange immer automatisch an mich voll und ganz auf den jeweiligen Song zu konzentrieren und bekomme infolgedessen kein Auge zu. Unbedeutende Hintergrundgeräusche versetzen mich dagegen aber sehr schnell in den Tiefschlaf. Es muss nur ein Fernsehprogramm laufen und schon schlafe ich ein. So lange etwas die Stille durchbricht, komme ich zur Ruhe. Ansonsten beschäftige ich mich die ganze Nacht mit meinen Gedanken.

MusikBlog: Mike Mogis und Andy LeMaster waren auch dieses Mal wieder an den Aufnahmen zu „Something About Knowing“ beteiligt. Was bedeutet es für dich im Kreise der Saddle Creek Familie zwei so treue Weggefährten wie die beiden an deiner Seite zu wissen?

Maria Taylor: Es bedeutet mir unglaublich viel, dass sie da sind und mich unterstützen. Sie sind zwei meiner absoluten Lieblingsmusiker und gleichzeitig zwei wunderbare Freunde. Ich bin ausgesprochen glücklich sie in meinem Leben zu haben. Sie sind so verständnisvoll und ich kann ihnen absolut vertrauen, was sehr wichtig für mich ist. Als wir zusammen ins Studio gegangen sind, war mein Sohn gerade acht Monate alt. Ich hätte die Platte mit niemand anderem aufnehmen wollen. Ich brauche diese persönliche Verbindung einfach, wenn ich ein Album mache. Immerhin gebe ich in den Songs viel von mir preis und die Songs sind auch so etwas wie meine Babys für mich. Abgesehen davon ist es immer ein Riesenspaß mit den beiden aufzunehmen. Wir sehen uns leider nicht mehr so häufig wie damals, daher ist es umso schöner das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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