Wenn man vor einiger Zeit darauf gewettet hätte, dass die Kaiser Chiefs bald ein neues Album rausbringen würden, hätte man nun mit Sicherheit einen saftigen Gewinn einfahren können. Nach zwei relativ schlecht rezipierten Alben („Off With Their Heads“ im Jahr 2008 und „The Future Is Medieval“ drei Jahre später) und dem Ausstieg des Schlagzeugers Nick Hodgson war eine neue Veröffentlichung der Engländer nämlich alles andere als wahrscheinlich.
Doch die Band entpuppte sich als Stehaufmännchen und bringt nun – mit einem Mann weniger – ihr fünftes Studioalbum raus: „Education, Education, Education & War“. Der sperrige Titel rekurriert auf den ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair, der einst in einer Rede über die Relevanz von Bildung sprach. Die zentrale Aussage von Blairs Ansprache – „Education, Education, Education“ – erweitern die Kaiser Chiefs um den Begriff „War“, wodurch schon der Albumtitel die Marschroute des gesamten Albums vorgibt: Wir haben es hier mit einer, für den Indie-Rock außergewöhnlich politischen Veröffentlichung zu tun.
Ein Blick in die Trackliste bestärkt diesen Eindruck: „The Factory Gates“, „Bows & Arrows“ und „Cannons“ heißen einige Songs. Ein Hauch von Klassenkampf und Demo schwebt durch die Hifi-Anlage. Sänger Ricky Wilson erklärt, wieso diese Themen in den neuen Liedern ihre Berechtigung haben: „Ich finde zwar, dass eine Band nicht die Verantwortung hat, über mehr als Liebe zu singen, aber wenn man das Gefühl hat, etwas anderes als nur Liebeslieder schreiben zu wollen, sollte man keine Liebeslieder mehr komponieren, sondern stattdessen darüber schreiben, was auf der Straße vor sich geht.“
Ein lupenreines politisches Manifest ist „Education, Education, Education & War“ freilich nicht geworden. Mit Zeilen wie „So let’s go into tomorrow, together fighting, We’re bows and arrows“ oder „We the people, created equal“ (aus „Bows & Arrows“) prägen gesellschaftliche Überlegungen zwar den Charakter des Albums, doch die Kaiser Chiefs formulieren dabei niemals so klare Forderungen, wie sie beispielsweise in Punkgenres üblich sind.
Stattdessen geht es darum, eine soziale Stimmung einzufangen, die sich derzeit um Wirtschaftskrisen, Zukunftsängste und versagende Bildungssysteme rankt. Dabei bleiben die Songs allerdings absolut tanzbar. „Ruffians On Parade“, das am Anfang etwas an „Evil And A Heathen“ von Franz Ferdinand erinnert, funktioniert beispielsweise sowohl als Club-, als auch als Demohymne. Ruhigere musikalische Momente können sich nur in „Roses“, dem letzten Track, entfalten. Davor geht es knapp 42 Minuten gnadenlos nach vorne. Der Pathos in der Stimme von Wilson findet hier endlich seine Berechtigung, während er auf den Vorgängeralben häufig recht deplatziert wirkte.
Der einzige Wermutstropfen ist die fehlende musikalische Originalität. Obwohl „Education, Education, Education & War“ zu gefallen weiß und einige hartnäckige Ohrwürmer parat hält (vor allem „Ruffians On Parade“ und „Misery Company“), hat man doch alles schon einmal irgendwo anders gehört. Das ist schade, denn thematisch hätten die Kaiser Chiefs den Stoff gehabt, der den Indie-Rock auf eine neue Stufe hätte heben können. So bleibt es bei einem musikalisch soliden und textlich außergewöhnlichen Album, das getrost zu den besseren der Band gerechnet werden kann, ohne dass es jedoch eine Strahlkraft über Genregrenzen hinweg besitzen dürfte.