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Alvvays – Always

Kann man sich in 30 Sekunden ein umfassendes Bild von einem Album machen? Ja, das kann man. Ich habe es bei Alvvays aus Kanada probiert. Bei ihrer gleichnamigen Debüt-Platte steckt alles was Ihr wissen müsst, schon in den ersten 30 Sekunden. Glaubt ihr nicht? Challange accepted! Ich drücke „Play“ und der erste Song „Adult Diversion“ läuft an.

Sekunde 0 bis Sekunde 10: Das rockt! Eine Gitarre wie ein Rodeo-Bulle tobt vor sich hin und klingt ein bisschen wie das Intro zu Pulp Fiction.

Sekunde 10 bis Sekunde 20: Sonnig leichte Gitarrenmelodien dudeln irgendwie nett und poppig durch den Raum. Stimmung: Picknick im Park. Der Bulle wird jetzt von vielen bunten Schmetterlingen umschwärmt.

Sekunde 20 bis Sekunde 30: Die Sängerin steigt auf das Bullen-Schmetterlings-Gespann. Ihre Stimme klingt sanft, gleichgültig und cool.

Fazit: Gleich wird es hier richtig abgehen, aber der Sound wird trotzdem schön verträumt bleiben. Moment, noch eine Sekunde… Ja – das war richtig! Sängerin Molly Rankin schafft es, den Rodeo-Bullen geschickt zwischen den Schmetterlingen so zu lenken, dass der Spagat gelingt, zwischen derber Rockmusik und fröhlichem Sommerpop. Sehr genialer Sound mit besten Grüßen von Best Coast!

Viel mehr braucht man eigentlich nicht zu sagen, der Rest des Albums bestätigt die ersten 30 Sekunden immer wieder. Fuzz-Pop nennt sich diese Musikrichtung, verrät mir die Bandinfo von Alvvays. Molly Rankin (Gesang, Gitarre), Kerri Maclellan (Gesange, Keyboard), Alec O’Hanley (Gitarre), Brian Murphy (Bass) und Phil MacIsaac (Schlagzeug) liefern mit „Adult Diversion“ den perfekten Hit für den Sommer: Surfbrett- und cabrio-tauglich aber mit dem richtigen Maß an Melancholie, um nicht zu kitschig zu werden.

Apropos: „Hey, hey, marry me, Archie!“ singt Molly Rankin im zweiten Song. Selten habe ich einen Heiratsantrag gehört, der mit so dreckigen Gitarren geschmückt war. Es klingt, als würde sie ihren Liebsten während eines Bungee-Sprungs fragen, laut und frei aus dem Bauch herausgeschrien. Das Gitarrenriff von „Party Police“ habe ich schon mal gehört. Es erinnert stark an Joan Osbornes 90er-Jahre-Hit „One Of Us“. Vielleicht spielt die Band bewusst mit dem bekannten Motiv, denn die Melodie der Ballade, die glücklicherweise eine andere Wendung nimmt als der 90er-Song, bleibt direkt im Kopf hängen.

Manche Titel sind ruhiger, wie „The Agency Group“ oder „Dives“. Bei „Atop a cake“ wird dann wieder Tempo aufgenommen: Ein Song zum Springen und Armewedeln. Aber immer noch verträumt. Beim letzten Stück „Red Planet“ bleibt von der ganzen Band dann nur noch ein Synthie-Teppich übrig, der den Hörer sphärisch mitnimmt auf diesen „roten Planeten“.

Während man so drüber hört, über das Debüt von Alvvays, fällt einem doch noch etwas Negatives auf: Die Songs klingen irgendwie alle gleich – eben wie die ersten 30 Sekunden. Schlimm ist das nicht, aber zweimal hintereinander würde ich das Album nicht durchhören.

Trotzdem bleibt es dabei: Alvvays machen sehr genialen Sound!

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