Hamburg rockt. Das wussten Tocotronic schon im Jahr 1995. Zusammen mit Bands wie Kante, Die Sterne oder auch Blumfeld begründeten sie das, was man fortan Hamburger Schule nannte: deutschsprachige Popmusik mit tiefgründigen Texten. Sie prägte eine ganze Generation. Bei den letzten Alben zeichnete sich ab, dass die Jugendhelden von einst ihrer Rolle entwachsen sind und sich neu erfinden möchten.

Zeit für eine neue Riege junger Musiker, die die Position der nachdenklichen Rebellen einnehmen können. An dieser Stelle kommen Trümmer ins Spiel, die mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum beweisen, dass sie genau das können: Songs für eine Generation liefern.

Der Sound ist bekannt: rockiger Pop oder poppiger Rock. Je nach Track geht es musikalisch mal zart und mal schrammelig zu. Thematisch wird angesprochen, was einen als Twenty-Something bewegt: Die Eingezwängtheit in ein System („1000. Kippe“), das Gefühl, mit seinen Gedanken und Problemen alleine zu sein („Straßen voller Schmutz“) oder auch die Anonymität in der Großstadt („Scheinbar“).

Obwohl all das kein neuer lyrischer Stoff ist, schaffen Trümmer es doch, damit authentisch und originär zu wirken. Hier geht es nicht um einen simplen Abklatsch der Großen von damals. Dazu ist die Art, mit der Paul Pötschs Stimme die Lieder vorträgt, zu eindringlich.

Angereichert werden die Texte durch kluge Melodien, die genau richtig eingesetzt werden. In „Papillon“ folgt im Chorus auf das wunderschöne Wort Papillon ein ebenso bezauberndes Gitarrenriff. Anders als in der frühen Hamburger Schule wird musikalisch nicht der Weg des Minimalismus beschritten.

Überhaupt scheint das Arrangement der Instrumente stellenweise überzuborden. In „Der Saboteur“ gibt es punktuelle musikalische Explosionen, bei denen kein Bein unbewegt bleibt. Diese Verbindung von tanzbarer Rockmusik und durchdachten, aber nicht verkopften Texten ist es, was das Album an sich ausmacht. Hier wird weder mit dem Vorschlaghammer, noch im Elfenbeinturm gedichtet. So einfache, wie scharfsinnige Texteinlassungen wie „Eine Stadt wie eine Leiche“ (in „Scheinbar“) beweisen das über die gesamte Laufzeit immer wieder.

Mit „Trümmer“ setzt die Band ein erstes kleines Ausrufezeichen. Angesichts der zunehmenden Oberflächlichkeit im deutschsprachigen Pop, ist ein so intelligentes Album ein Kleinod – nicht nur für Fans, die ihre Jugend mit der Hamburger Schule verbrachten, sondern auch für diejenigen, die damals noch gar nicht geboren waren.

Ob Trümmer damit einen Nerv treffen und irgendwann den Legendenstatus von den Sternen oder Tocotronic erreichen können, bleibt abzuwarten. Dazu gehört schließlich nicht nur die gute musikalische Vorlage, sondern auch die Aufnahmebereitschaft der Musikwelt. Für ersteres haben die vier Herren auf jeden Fall gesorgt.

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