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Grundsätzlich neige ich ein bisschen zu Todesangst – Jens Friebe im Interview

Eine nackte Gestalt mit langen Haaren steht vor einer weißen Wand mit Schmierereien, das Gesicht verhüllt mit einem schwarzen Tuch. Nur ein Auge blinzelt aus einer Lücke des Tuchs, während zwei Finger mit grauem Nagellack eine Zigarette zum Mund führen. Das Cover von Jens Friebes neuem Album könnte als Bilderrätsel verstanden werden. Die Lösung ist der Titel: „Nackte Angst Zieh Dich An Wir Gehen Aus“. Jens Friebe mag das Rätselhafte. Bei Songs, die er mag und nicht richtig versteht, forscht er nicht nach der tieferen Bedeutung. Er hat Angst, dass dabei das Rätsel verloren gehen könnte. Selbst gibt er aber gerne Auskünfte über seine nicht immer eindeutig verständlichen Texte. Zum Release des neuen Albums hat MusikBlog mit Jens Friebe gesprochen.

MusikBlog: Inwiefern geht es auf deinem neuen Album um Angstbewältigung?

Jens Friebe: Also beim Titellied ja auf jeden Fall und es gibt ein bisschen einen roten Faden. Es geht viel um Ende, Tod und Weltuntergang. Das hat wohl damit zu tun, dass ich mich in den letzten Jahren aus privaten Gründen viel mit dem Tod beschäftigen musste. Aber es lag auch ein bisschen an der Auftragslage. Einige Sachen waren Auftragsarbeiten, zum Beispiel die Übersetzung von dem Momus-Stück „What Death Will Be Like“, das ich immer sehr mochte. Das habe ich für ein Theaterstück gemacht, wo es um Enden ging (holt zu einem langen Satz aus): Es kam eine durch Auftragsarbeiten vermittelte gesellschaftliche Grundstimmung mit persönlicher Beschäftigung mit diesen Themen irgendwie zusammen. Und das hat dann dieses unfreiwillige Konzeptalbum ergeben.

MusikBlog: Was sind deine persönlichen Ängste?

Jens Friebe: Grundsätzlich neige ich so ein bisschen zu Todesangst, schon seit meiner Jugend, weiß nicht woher das kommt. Das ist nicht permanent, aber kommt immer wieder mal und ist irgendwie ein Thema. Ich meine, das ist auch sozusagen eine Angst, die man nicht so richtig für gegenstandslos erklären kann. Das ist ja nicht wie bei Spinnen, dass man sich sagt: Das kann mir nichts tun. Am Ende stirbt man ja tatsächlich. Und eigentlich kann man damit nur klarkommen, indem man es irgendwie verdrängt und nicht drüber nachdenkt. Aber es ist das, was uns existentiell unterschwellig beschäftigt und in älterer Lyrik ist es ja eines der häufigsten Themen. Erst im Pop-Song drängeln sich sozusagen Liebe und Sexualität dazwischen. Aber unter dem allen liegt ja im Grunde das Problem der Vergänglichkeit.

MusikBlog: Was passiert mit der nackten Angst, wenn man ihr was anzieht? Ist das Verdrängung?

Jens Friebe: Das ist so ein Kompromiss, weil die kommt ja auch mit (lacht): „Nackte Angst Zieh Dich Aus Wir Gehen Aus“ – Das ist eine Flucht nach draußen, also vor der Einsamkeit mit der Angst. Sie ist verhüllt, sie ist geteilt mit anderen, sie geht ein bisschen unter im Rauschen der Menge, aber sie ist auch immer mit dabei. Sie wird vergesellschaftlicht und irgendwie umarmt, bis zu einem gewissen Punkt.

MusikBlog: Wie kann man sich deinen Alltag vorstellen – was machst du, damit dir solche Texte einfallen?

Jens Friebe: Man liest viel und dann geht man aus und redet mit Leuten. Ich helfe anderen bei ihren Sachen, ich habe bei Chris Imlers Platte mitgemacht. Ich unterrichte auch noch Deutsch für Ausländer. Ja, und dann schreibt man hier und da. Also ich unternehme keine außergewöhnlichen Erlebnisreisen, um Inspiration zu sammeln.

MusikBlog: Was kommt bei dir zuerst, Musik oder Text?

Jens Friebe: Das ist ganz unterschiedlich. Die häufigste Variante ist, dass ich erst einen Refrain habe, bei dem mir Musik und Text gleichzeitig einfällt. Und, dass ich eine Strophen-Musik habe, auf die ich dann zu Ende texte. Nehmen wir mal „Nackte Angst Zieh Dich An Wir Gehen Aus“ – da fiel mir mit dem Text gleich die Musik ein und dieser Strophenteil liegt halt so rum und passt zu dem Rest. Ich nehme unterwegs nur Melodien und Ideen auf. Die Texte schreib ich eigentlich nie auf. Ich schreibe sie im Kopf. Das ist so ein Filtermechanismus für mich: Wenn ich mich an Textzeilen nicht erinnern kann, dann waren sie auch nicht gut. Ich setze mich auch nicht hin und versuche etwas zu schreiben, sondern ich schreibe halt recht langsam. Das geht dann Zeile für Zeile und schleift sich so ab.

MusikBlog: Bist du selbst dein eigener Musikgeschmack?

Jens Friebe: Ich würde schon meine Sachen gut finden. Allerdings ist der Musikgeschmack natürlich viel beweglicher und breiter als der Output. Ich höre natürlich viel Verrücktes und verschiedene Sachen, zum Beispiel auch Hip-Hop. Aber nicht alles, was einen interessiert, kann man auch umsetzen in dem, was man tut.

MusikBlog: Welche Botschaft würdest du der Welt gerne mitteilen – Hast du einen Satz für ein Plakat?

Jens Friebe: „The universe does not exist until it does“, ein Zitat von Frederick Seidel.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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