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Man Without Country – Maximum Entropy

Entropie: Ein nicht nur philosophisch gehaltvoller, sondern auch physikalisch begründbarer Wert, nach welchem alles – die Natur, das Leben – in prozessartigen Zuständen verläuft. Einen Hinterausgang, eine Rückbesinnung, die Möglichkeit des Zurückschraubens gibt es nicht – schließlich werden wir auch nicht jünger. Die Welt strebt auf einen maximalen Entropiewert zu – Man Without Country wollen dies mit ihrem Sound ebenso. Den hartgesottenen Paukerteil verstanden? Macht nichts. Weiterlesen.

Die Mission und Gedanken hinter dem Zweitling lassen sich einfach, banal und rabiat mit folgenden bedeutungsschwangeren Worten zusammenfassen: Operation „Kotzendes Einhorn“. Mit der Einsicht, dass sich keinerlei Miseren auf unserer Welt aufhalten lassen, beschäftigen sich Tomas Greenhalf und Ryan James schon auf ihrem 2012er Debütalbum „Foe“. Der tiefgehende Elektro-Pop der Briten schwankt in die Richtung einer ansteigenden Manie, welche zu zerbersten droht, ohne eine unkontrollierte Rage aufkommen zu lassen. Die Welt, in so schönen Melodien sie besungen werden kann, schillert eben nicht in Regenbogenfarben. „Man Without Country“ decken das Hässliche mit dem Schönen auf. Den Kopf betrübt neigen lassende Themen sind der Tropfen bittere Medizin auf dem Zuckerlöffel.

Wie sich das ganze musikalisch umsetzen lässt? Harsche und fluffige Synthesizerwände, welche zwar mit einem dicken dunklen Bass beschmiert sind, aber doch hier und dort durch Fenster etwas süße Hoffnung scheinen lassen, sprechen durchgängig für sich. „Maximum Entropy“ siebt sich nicht durch die Gehörgänge, es bleibt wie ein dicker, angenehm warmer und doch lästiger Gedankenbrei im Kopf fest verankert.

Beim fleißigen Durchackern der Tracklist stößt man fast ausschließlich auf religiös anmutende Titel. Die Texte zeigen sich nicht nur kryptisch-verhängnisvoll, sie werden auch gebetsmühlenartig verbreitet. „Loveless Marriage“ wartet etwa mit düster im Raum schwebenden, reduzierten Synthies und klagend-hinterlegten Stimmen auf und steigert sich nach einiger Laufzeit in ein sicheres Elektroband-Gefüge. Kurz dürfen schwirrende Toms ihre Athmosphärenkraft walten lassen, bis das Stück Musik mittels eines zauberschönen Decrescendo zum Schweigen gebracht wird.

Überhaupt: Die Sache mit dem Ausklingenlassen wird auf „Maximum Entropy“ groß geschrieben. Selbst das von den schlagfeuerartigen Drums geprägte „Deliver Us From Evil“ findet seine Beruhigung in eher besinnlichen, flehenden Phrasen – ein Hin- und Hergezerre zwischen erzwungener Lieblichkeit, erdrückend-majestätischer Dominanz und gewolltem Epos.

Eine solche Musik kann nur von sensiblen, nachdenklichen Seelen kommen – was auch die Präsenz der beiden Briten unterstreicht. Eben jene Farbverläufe, welche auf jeglichen Pressebildern omnipräsent sind, kennzeichnen auch den Elektro-Pop von Greenhalf und James: Es ist die regenbogenfarbene Einhornkotze, quasi.

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