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Ben Ottewell – Rattlebag – Ohne Ecken und Kanten

Ben Ottewell wirkt wie ein netter Typ. Jemand, mit dem man sich gern auf ein oder zwei Bier trifft. Seiner Musik wird dies allerdings häufig zum Verhängnis. Denn während „nett“ ein Attribut ist, das bei Menschen unbedingt erstrebenswert erscheint, hat diese Zuschreibung in der Popmusik häufig einen negativen Beigeschmack. Meistens meint „nett“ dann nämlich eher „reizlos“, „austauschbar“ oder im schlimmsten Fall „egal“.

Ganz so knüppeldick kommt es auf dem zweiten Album des britischen Songwriters, den man eventuell als Gitarrist und Sänger der Indierock-Band Gomez kennt, zwar nicht, dennoch fehlt den elf Songs von „Rattlebag“ häufig eine gute Portion Kratzbürstigkeit, um sich im Gedächtnis des Hörers festzusetzen. Geschrieben hat Ben Ottewell die Lieder für den Nachfolger seines Debütalbums „Shapes & Shadows“ übrigens mit dem ehemaligen Tunng-Mitglied Sam Genders, der mit seiner Band Diagrams ebenfalls Musik macht, die häufig viel zu nett klingt, um irgend jemanden wirklich zu begeistern.

Dabei ist Ottewell eigentlich ein charismatischer Sänger mit einer ausdrucksstarken Stimme, die er in Songs wie dem Titelstück „Rattlebag“ oder in „Red Dress“ mit viel Leidenschaft einbringt. Doch auch dieser Einsatz kann nicht überdecken, dass sich beide Songs nach einem ruhigen Beginn zu handwerklich soliden, aber auch ereignisarmen Midtempo-Nummern entwickeln. Mit „Patience And Rosaries“ tanzt dann zum ersten Mal ein Song aus der Reihe, klingt mit seinen Blues-Elementen düster und bedrohlich, wankt wie angeschossen umher und auch Ben Ottewell packt plötzlich eine tiefe Totengräber-Stimme aus.

Das kurze „No Places“, das eher einer esoterischen Meditation als einem auskomponierten Song gleicht, fällt ebenfalls ein wenig aus dem Rahmen und „Edge“ zeigt dann nicht nur im Titel die Ecken und Kanten, die man sich auf „Rattlebag“ häufiger gewünscht hätte. Der Song stampft und rockt munter drauf los und sorgt zwischen den gefälligen, aber auch recht nichtssagenden Stücken wie „Starlings“, „Shoreline“ und dem dröge dahin fließenden „So Slow“ für den nötigen Energieschub.

Damit jedoch auch keine Missverständnisse aufkommen: „Rattlebag“ ist keinesfalls ein schlechtes Album, sorgt aber beim Hörer in keinem Moment für erhöhten Pulsschlag oder gar echte Begeisterung. Und so wird sich „Rattlebag“ in die lange Liste der mittelmäßigen bis soliden Alben einreihen, die man wenige Wochen nach Veröffentlichung wieder vergessen hat und die bald im CD- oder Platten-Regal verstauben.

Andererseits scheint sich Ottewell mit seiner Musik ein treues Publikum erspielt zu haben, das vermutlich vornehmlich aus Bart- und Karohemden-Trägern besteht und das sein zweites Album vorab per Crowdfunding-Kampagne sogar deutlich überfinanziert hat. Diesem Vertrauensvorschuss wird „Rattlebag“ leider nicht gerecht, zumal die Konkurrenz im nach wie vor angesagten Genre Folk und Singer/Songwriter ja nicht gerade gering ist.

Das Angebot mit dem Bier steht aber noch.

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