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In der Regel kommt zusammen, was zusammen gehört – Calexico im Interview

Joey Burns und John Convertino sind nun schon seit einem Vierteljahrhundert unter dem Calexico-Banner international unterwegs. Mit wechselndem musikalischen Background und jeder Menge Klangzutaten aus den Bereichen Pop, Rock, Jazz, Folk und Weltmusik, geht es den beiden nimmermüden Globetrottern dabei stets um eines: der perfekten Symbiose aus Land, Leuten und Musik. Für ihr neues Album „Edge Of The Sun“ waren die beiden Bandchefs im vergangenen Jahr in Mexiko und Griechenland unterwegs. Wir klingelten bei Drummer John Convertino durch und sprachen mit ihm über ständig wechselnde musikalische Identitäten, Kollaborationen und die Magie der Musik.

MusikBlog: John, euer letztes Album (“Algiers”) habt ihr in New Orleans und Nashville aufgenommen. Für euer neues Werk “Edge Of The Sun” seid ihr nach Mexiko und Griechenland gereist. Wie wichtig ist euch die passende Umgebung für eine Albumproduktion?

John Convertino: Oh, die ist uns sehr wichtig. Ich würde sogar behaupten, dass es für uns mit das Wichtigste überhaupt ist. Für uns spielt Inspiration immer eine große Rolle, wenn es um die Produktion eines neuen Calexico-Albums geht. Und damit meine ich nicht andere Bands, Künstler oder gerade gehypte neue Stilrichtungen. Wir saugen lieber fremde Länder, Leute und Kulturen in uns auf. Das bringt uns mehr, als das stündliche Wechseln des Radiosenders. (lacht)

MusikBlog: Verständlich. Wenn ich mir euer neues Album so anhöre, fällt mir auch kein passender Radiosender dazu ein.

John Convertino: Das ist doch mal ein schönes Kompliment. (lacht)

MusikBlog: In meine Augen und Ohren habt ihr es wieder einmal geschafft, eine eigene Nische zu besetzen. Ist das auch Teil eures Songwritingprozesses? Das Streben nach sich ständig wechselnden musikalischen Identitäten?

John Convertino: Absolut. Wobei wir bei diesem Album erstmals auch bewusst in den eigenen Rückspiegel geblickt haben.

MusikBlog: Stichwort: “Feist Of Wire”?

John Convertino: Unter anderem, ja. “Feist Of Wire” ist ein Album, auf dem es unheimlich viel zu entdecken gibt. Genau das wollten wir auch diesmal wieder erreichen. Wir wollten Neues in bereits Vorhandenes einbinden und daraus dann ein Paket machen, in dem sich nicht sofort alles offenbart. Man sollte etwas kramen und buddeln müssen, um zum eigentlichen Inhalt zu gelangen.

MusikBlog: Inwieweit konnten die jeweiligen Aufnahme-Locations zum Gesamtbild des Albums beitragen?

John Convertino: Nun, ich denke, dass wir in Mexiko und Griechenland sehr inspirierende Eindrücke sammeln konnten, die dem Album letztlich einen ganz besonderen Vibe verleihen. Dabei steckt die Verbindung zwischen Land und Musik aber eher im Detail. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass es allzu viele standardisierte Hinweise auf dem Album gibt, oder?

MusikBlog: Nicht wirklich. Auch wenn das Album etwas flotter unterwegs ist, als seine Vorgänger. Das könnte man vielleicht noch am ehesten mit Griechenland und Mexiko in Verbindung bringen.

John Convertino: Ich sage ja: Die Verbindungen stecken eher in den Details. (lacht)

MusikBlog: Auf dem neuen Album habt ihr auch wieder mit vielen Gastmusikern zusammengearbeitet (Ben Bridwell, Nick Urata, Carla Morrison, Gaby Moreno, Eric Burdon). Stellt ihr euch da eigentlich jedes Mal eine Liste mit möglichen Kandidaten zusammen oder ergeben sich die Kollaborationen von selbst?

John Convertino: Das ist immer ganz unterschiedlich. In der Regel kommt zusammen, was zusammen gehört. Das ergibt sich meistens so, weil eine Grundenergie fließt, die immer genau die Leute mit an Bord zerrt, die für das jeweilige Projekt am besten passen. Das hat schon etwas Magisches. Bisher hat es auf jeden Fall immer super gepasst. Und ich hoffe natürlich, dass das auch in Zukunft so bleibt.

MusikBlog: Gibt es von noch mehr Magischem zu berichten, wenn Calexico sich an die Arbeiten für ein neues Album machen?

John Convertino: Auf jeden Fall . All die Länder, in die wir reisen, all die Leute die wir treffen, mit denen wir arbeiten: Da steckt schon Magie pur drin. Dann gibt es aber auch noch viele vermeintlich unbedeutende Momente, ohne die ein Calexico-Album gar nicht entstehen könnte.

MusikBlog: Zum Beispiel?

John Convertino: Allein die Augenblicke, wenn sich beim Songwriting passende Akkorde ineinander verhaken oder ein Beat oder eine Harmonielinie einem Song-Gerüst den nötigen Halt verleihen: Das sind ganz kleine Momente, die meist nur Sekunden oder Minuten dauern, aber am Ende dafür Sorge tragen, dass das große Ganze nicht in sich zusammenfällt. Das Schöne an diesen Momenten ist auch, dass sie meist unverhofft kommen. Man kann sie nicht erzwingen. Es passiert einfach. Dass ist das Schöne am Musikmachen.

MusikBlog: Du und Joey (Joey Burns, Gesang/Gitarre) kennt euch schon eine halbe Ewigkeit. Ist das vielleicht auch der Grund, warum ihr immer wieder aufs Neue scheinbar spielend leicht in “magische” Zonen vordringt?

John Convertino: Sich lange zu kennen, ist sicherlich kein Nachteil.

MusikBlog: Das klingt jetzt aber nicht sonderlich enthusiastisch.

John Convertino: Das sollte es aber. (lacht) Joey und ich sind wie Brüder. Wir kommen uns eigentlich nur selten in die Haare; weder privat noch musikalisch.

MusikBlog: Reibepunkte sollen ja bisweilen ungeahnte Energie freisetzen. Ihr braucht derartiges nicht?

John Convertino: Nun, ab und an sind wir schon auch verschiedener Meinung, ganz klar. Aber eigentlich ergänzen wir uns mehr, als dass wir anecken.

MusikBlog: Wie funktioniert so ein harmonisches Miteinander nach so langer Zeit?

John Convertino: Abstand.

MusikBlog: Abstand?

John Convertino: Ja, Abstand. Das ist unser Erfolgsgeheimnis. Ich meine, ich rede jetzt nicht von abgesteckten Zeiträumen, in denen wir uns bewusst nicht begegnen. Was ich meine, sind Momente. Die können manchmal sogar entstehen, wenn wir gemeinsam in einem Raum sind.

MusikBlog: Das hat ja schon fast etwas Mystisches.

John Convertino: Ja, stimmt. Manchmal sitzen wir nebeneinander und schwirren dennoch in völlig verschiedenen Welten. Das meine ich damit. Wir beide wissen mittlerweile ganz genau, wann es Zeit ist, sich vom gemeinsamen Gedankenstrang zu lösen, und den anderen einfach ziehen zu lassen.

MusikBlog: Seelenverwandte?

John Convertino: So in etwa. Es gibt aber natürlich auch Situationen, in denen wir uns bewusst voneinander entfernen, um einfach Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Ich meine, wenn wir auf Tour sind – und wir sind ziemlich oft auf Tour – dann hängen wir oftmals 24 Stunden am Tag zusammen. Da ist es manchmal schon schön, wenn man nach Hause kommt und in ein anderes Gesicht blickt. (lacht)

MusikBlog: Apropos Tour: Demnächst geht es ja wieder los. Ist der ganze Reisezirkus noch vergleichbar mit früher? Oder hat sich da etwas verändert?

John Convertino: Das Touren ist mit den Jahren immer wichtiger geworden. Wenn man vom Musikmachen leben will, dann reicht das Aufnehmen von Alben längst nicht mehr aus. Diese Entwicklung gefällt mir aber. Ich bin gerne unterwegs. Ich meine, die Welt ist so riesig. Da gibt es selbst für Leute wie uns noch unheimlich viel zu entdecken. Und ich bin jemand, der gerne Neues entdeckt.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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