Ein halbes Dutzend wunderbarer Jahre haben wir sie nun schon in unseren anspruchsvollen Ohren, die Garantin für vertonte Tragödien der opulenten Art. Florence Welch spann uns fein verwobene Netze aus philosophischen Kopfgeschichten, die sie in einer einmalig kathedralartigen Üppigkeit vortrug – stets fein unterfüttert vom konventionellen Bandsound, auf welchem ein stimmungsvolles orchestrales Bonussahnehäubchen prangte. Doch eben mit den einhergezogenen sechs Jahren ausfressendem Künstlerdaseins trägt die missverstandene Diva eine Fettschicht von dem Ganzen ab und zeigt sich nahbarer als zuvor. Eine light-Version Florence + The Machines ist „How Big, How Blue, How Beautiful“ dennoch nicht.
Die stimmgewaltige Britin ist ganz einfach erwachsen(er) geworden. So entspringen die hinterfragenden Lyrics des Drittlings nicht mehr einem verwinkelten, sphärischen und doppelbödigen Gedanken; Sie sind vielmehr auf dem geerdeten Boden der unspektakulären Tatsachen angekommen. Dennoch handelt es sich bei den liebevollen Geschichten keineswegs um einen Herzschmerz der platten Sorte, sondern einen realistischen Blick aus der Vogelperspektive auf die gar nicht so banalen Dinge des Lebens. Ein Hauch Selbstreflektion, eine Prise Selbstkritik, ein Nuance Naturreligion gepaart mit Querdenkertum – Ms Welch knüpft unverkennbar dort an, wo sie zuletzt endete.
Dafür geht sie in jeglicher Hinsicht in die (musikalische) Breite. Ein jeder Track lässt sich fein säuberlich in seiner einzigartigen Unverkennbarkeit abgrenzen, obgleich auf dem gesamten Songmaterial das Markenzeichen der Künstlerin prangt: Die vibratotriefende Stimme – ummantelt von einer auragetränkten Stimmung -, welche in ihrer Eindringlichkeit so zuletzt von der britischen Dark Wave-Formation Siouxsie And The Banshees bespielt wurde.
Mit derlei kleineren 70er-Anleihen und einer ordentlichen Upbeat-Reflektion stolziert etwa „Ship To Wreck“ daher: „Oh, my love, remind me, what was it I did? Did I drink too much, am I losing touch, did I build a ship to wreck?“. Die selbstzerstörerische Seite, derer Florence Welch sich nach eigenen Angaben mit diesen Zeilen widmet, findet sogleich ihre Gegenspieler in weiteren abwechslungsreichen Perlen des Albums. Das nackige, lediglich von der präsenten Stimme getragene und mit spärlichen Gitarrenzupferein begleitete „Various Storms & Saints“ hält die Balladenfahne hoch und zeugt von einer Inkarnation der zweifelnden Britin („I am teaching myself how to be free“). Weiterhin marschiert der positive Titeltrack stolz nach vorn, ist orchestral aufbereitet und protzt mit adäquaten Bläsern.
Diese Stimmungsbalance findet in der Blues-Pop-Nummer „Mother“ ihren gediegenen Ausklang: Die Dringlichkeit der Erde unter den Füßen, der kraftvollen und verwobenen Elemente, welche eine Gesamtheit kontrollieren und keinerlei Einfluss zulassen, ist es, die Florence vor den Alienationsgedanken bewahren: „I belong to the ground now“. Willkommen, Florence!