Es buzzt und hypt mal wieder heftig im Vereinigten Königreich, Abteilung Musikpresse. Natürlich tut es das ja eigentlich immer. Klar, davon lebt sie schließlich und muss sie ja auch irgendwie, denn auch der kampferprobteste und zäheste Musikjournalist hat noch keinen Weg gefunden, aus einer Promo-CD oder einem MP3-File eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten. Jedenfalls hat noch keiner von ihnen ein Kochbuch in dieser Richtung veröffentlicht.

Diesmal im Zentrum der Aufmerksamkeit: Gengahr. Um dies in Gang zu setzen, reichte für die Band gerade mal etwas über ein Jahr. Im März 2014 erschienen drei Songs als digitale Demo-EP, gefolgt von zwei Singles. Dazu kamen noch Touren mit alt-J, Wolf Alice und The Maccabees. Und schon hatten die maßgebenden Kontrollorgane den Namen der Band auf dem Schirm.

Anhand ihres nun erschienen Debut-Albums „A Dream Outside“ lässt sich nachprüfen, ob das Quartett aus Nord-London der gemachten Welle gerecht wird. Auf alle Fälle handelt es sich bei Genghar nicht um einen Trupp Anfänger, der mal eben zwischen Rumhaptiken auf dem Smartphone und Abhängen ein bisschen Musik macht. Denn bevor die Band ihre Demo-EP veröffentlichte, gab es sie immerhin schon dreieinhalb Jahre. Kennen tun sie sich schon seit ihrer Schulzeit.

Und das hört man. Denn musikalisch sind Gengahr eine ziemlich gut eingeölt spielende Band. Bass und Schlagzeug sitzen immer variantenreich und elegant federnd auf dem Punkt. Die Melodien von Sänger/Gitarrist Felix Bushe gehen gut ins Ohr und machen es sich darin eine Weile gemütlich. Gut, sein Falsettgesang mag für manche Menschen anfangs etwas gewöhnungsbedürftig sein. Aber warum nicht?

Die größte Attraktion ist allerdings Gitarrist John Victor. Mit seinem einfallsreichen und vielseitigen Spiel setzt er den elf Songs immer wieder spannende Glanzlichter auf. Und das immer absolut songdienlich und ohne, in den Guitar-Hero-Modus zu schalten. Sei es in der Art, wie er den Gesang mit aufgelösten Akkorden begleitet, kurzen melodischen Parts oder geschmackvoll eingesetzten Effektspielereien, oder wie zum Beispiel in dem flott groovenden „Embers“, das durch sein nach Kreissäge klingendes Noise-Solo im Mittelteil seine Besonderheit erhält.

Stilistisch wird bei Gengahr gerne mal wieder die Psychedelic-Karte gezückt. Ob man unbedingt diese Schublade aufmachen muss, nur weil ein paar eigenwillige Sound- und Songideen auftauchen, mag jeder für sich beantworten. Eigentlich ist es gut hörbarer Indie-Gitarrenrock auf Popbasis – fein abgeschmeckt mit einer Prise Psychedelic und Shoegazer. Oder so was in der Richtung.

Gengahr schaffen es jedenfalls, ihren Songs immer wieder ein paar unerwartete Wendungen zu geben. Hörbar zum Beispiel auf „Lonely As A Shark“. Man denkt sich schon „Ok, das ist jetzt wirklich ein bisschen eine Lala-Nummer“ und dann wird man durch einen originellen siebenviertel Einschub überrascht. Ein sehr schönes Stück ist übrigens auch das fast instrumentelle „Dark Star“, das von John Victors Gitarreninszenierung lebt.

Was die Hype-Geschichte angeht, „A Dream Outside“ ist jetzt definitiv noch nicht die revolutionäre Neuerfindung des Rads. Aber Gengahr haben mit dem Album schon mal eine recht gute Visitenkarte abgegeben. Und ihre Musikalität lässt da noch einiges erwarten. Außerdem passt das Album auch nicht schlecht zu sommerlichen Temperaturen. Ist doch schon mal was.

PS: Und ja, die Band hat sich wirklich nach ihrem Lieblings-Pokemon benannt. Das zusätzliche „H“ ist Copyright-Gründen zu verdanken. Mehr dazu in unserem Interview.

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