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Muse – Drones

Muse waren nicht immer diese Megaband mit orchestralem Electro-Rock-Opera-Sound für die Riesenfestivals. Die Etablierer dieses pathetischen, elektronifizierten New-Prog, das Rock-Äquivalent des actiongeladenen Blockbuster-Kinos, waren einmal ein schlichtes Alternative-Rock-Trio aus einem popeligen Städtchen Englands; Schlagzeug, Bass, Gitarre – fertig.

Zurück zu den Wurzeln lautete die großspurig verkündete Ansage für ihr siebtes Album, man wolle wieder ein rockendes Trio sein, man hatte genug von der eigenen Theatralik. Dann auch noch des Rocks liebstes Thema: Kritik an den politischen Verhältnissen. Anti-Kriegs-Haltung: „Drones“ heißt das Album, der neue Feind der automatisierte, die Moral auf der Strecke lassende, Krieg durch Technik und Computer. Das schrecklich gestaltete Cover: Der Brave New World-Alptraum einer entindividualisierten Welt. Und das soll zurück zu den Proberaumwurzeln sein? Muse, eine der größten, hochtrabendsten, salbungsvollsten Rock-Bands des Planeten, mit einem downgrade? Nice try.

Ja, es rockt wieder mehr, die Synthies sind weitgehend Schmückwerk, Electro-Beats werden nicht gedropt, aber Muse bleiben trotzdem Muse. Nämlich eine der größten, perfektesten Bands der Welt. Die Verkörperung dessen, was der Begriff Mainstream versucht, auszudrücken. Mit Muse können alle etwas anfangen. Der Hauptgrund hierfür sind nicht vier Songschreiber und zwei Choreographen, die einem, wie bei Beyoncé oder Katy Perry, sagen, was man singen solle und wie man seinen Astralkörper zu bewegen habe. Nein, der Hauptgrund ist tatsächlich, weil Muse perfekt sind.

Perfekt setzten Muse die so unterschätzten Pausen, die Würze jedes Rhythmus’; perfekt grundiert der Bass eine emotionale Basis für die kräftig ausbrechenden Gitarren-Melodien. Die Riffs von Muse sind fürwahr geile Rock-Riffs, der Gesang ist feingetuned, immer an der richtigen Stelle, fragil sentimental oder cool ansagend, was Sache ist. Muse sind ein derart perfektioniertes Produkt Rock-Musik, geleckt und poliert bis zur Blendung, dass man wie bei Teflon abperlt mit Versuchen des Einwands.

„Reapers“ als Beispiel für alles auf „Drones“: 1A fette Rage-Against-The-Machine-Riffs schneiden durch die Strophen, ein groovender Red-Hot-Chili-Peppers-Basslauf umschlängelt den Rock-Druck, das Schlagzeug marschiert und marschiert und marschiert unverwundbar. Jeder kann besten Gewissens zu „Reapers“ abrocken. Oder sich fragen, warum liegt hier eigentlich Stroh?

Es ist eine perfekte Inszenierung, die man hier aufgetischt bekommt, Millionäre erzählen uns was vom Frieden den Hütten und Krieg den Palästen; und deshalb ist das perfekte „Drones“ auch gleichzeitig furchtbar egal. Rock ist menschlich, Rock ist fehlerhaft, Rock ist nicht perfekt. Doch wenn selbst die verwuschelte Frisur Matthew Bellamys perfekt inszeniert ist, doppelt man noch nachträglich die teuerste Gitarre in der postproduction. Damit’s noch besser kommt.

Poptheoretiker, die etwas auf sich halten, werden nicht müde, zu mahnen, dass es das Authentizitätsversprechen des Pop in Wirklichkeit gar nicht gäbe, diese Illusion seine Faszination ausmache und man folglich die Moralkeule im Dorf lassen könne. Ich sattele den Gaul da lieber von hinten auf. Wenn ich mir den rockigen Revolutionsaufruf von Muse, aus ihren geleckten Palästen heraus, anhöre, dann weiß ich: oh doch, es gibt Authentizität im Pop (kürzlichst: Shana Cleveland, Los Hijos De La Montaña), insofern es nämlich das genaue Gegenteil gibt. Die perfekte Inszenierung einer Beyoncé, einer Katy Perry und leider auch von Muse.

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