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Little Boots – Working Girl

Braucht es imposante Schulterpolster, artige Bubiköpfe, das stumpfe Businesslächeln und ein über das aufreizende Knie reichendes Kostüm, um allgemein als gestandene Geschäftsfrau zu gelten? – Eine reine Suggestivfrage, deren Beantwortung jedoch in unserem stumpfen Alltag ambivalent ausfällt. Um diesem bitteren Umstand Genüge zu leisten, wartet Little Boots „Working Girls“ mit kämpferischer Melancholie auf. Es streckt dem auf uns lastenden öffentlichen Druck bei gleichzeitig peinlichen modernen Missständen den hochgradig gestrengen Mittelfinger entgegen. Verdammt gut so – zumindest rein thematisch.

Denn was auf musikalischer Ebene passiert, ist eine ganz andere Sache: Victoria Hesketh packt ihre Beats zusammen und zieht mit dem dritten Soloalbum um. Hielt ihr vorheriger Output noch in anonymen Clubkreisen Einzug, ziert nun der Schriftzug einer beliebigen, weitaus Dance-getriebeneren Diskothek das geputzte Klingelschild. Doch treten Sie ein, so treten Sie doch ein…

… und erleben den „Remedy“ aufleben lassenden Klingelton, eine gelangweilte samtige Stimme, sowie ein scharf appellierendes Ende: Das stimmige Intro der Engländerin macht den Übergang vom Businesstrott hin zum Aktionismus deutlich. Du klingelst an, die Anrufbeantworterin springt an. Du bist genervt, sie ist genervt. Du willst nicht bis zum Ende, das weiß sie – und schließt auf mechanischer Spur mit einem eindringlichen: „Please, make something happen!“.

Was dann tatsächlich passiert, ist vor allem auf dem gediegenen Boden der Tanztatsachen geblieben – ganze vier Schläge wird dieser nämlich durchgehend bespielt. Der Titeltrack des Drittlings präsentiert signalgesteuerte stampfende Technobeats, auf denen sich recht spielerisch eine simple Melodie räkelt. Der scheinbaren Einfachheit geschuldet, mag man diese als belangloses Tanzstück abtun, doch dafür bietet es einen viel zu bitteren Inhalt (denn: „It’s so hard for a working girl“).

Dieser Härte entgegnet die englische Sängerin mit einer angebrachten Portion Trotz („I’m not your girl in the machine“, „Business Pleasure“) und beneidenswerten Lässigkeit. Vor allem ihre Stimme präsentiert sich in gewohnter lieblicher Kopfmanier („No Pressure“) und kehrt die scheinbare „Mädchen“-Seite bei aller Toughheit nach außen. Doch der versprochene  Nachdruck hält erst in Albummitte willkommenen Einzug. „Get Things Done“ gesteht dem Bass endlich seine wohlverdiente Line zu und der spannendste Track „Taste It“ sieht sich von atmosphärischen Toms aus der Dose geschmückt: Mit der Werklänge nimmt auch der instrumentale Ideenspielraum deutlich zu.

Akzentuierte Synthesizer, laufende Xylophone, gediegene Beats, der House, der Techno, der belanglose Tanz: Poppiger ist das neue Werk der selbstständigen Hesketh geworden. Erzählender. Denn zu erzählen hat die Frau einiges: von der femininen Stärke. Von der gesellschaftlichen Schwäche. Doch könnte die Botschaft von weitaus spannenderem Liedgut getragen werden.

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