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Immer auf Achse – Matteo Capreoli im Interview

Irgendwie passte die Situation. Matteo Capreoli kam gerade aus einem Radio-Interview, um mit MusikBlog zu sprechen und wurde vorher noch schnell daran erinnert, dass man im Anschluss direkt weiter zum nächsten Interview in die Kölner-Südstadt müsse. Von einem Ort zum nächsten. Und dann wieder zum nächsten. Matteo Capreoli ist ständig unterwegs. Während ihn dabei sonst die eigene Neugier auf neue Erfahrungen, Impulse und Erlebnisse durch die Welt treibt, gab ihm diesmal allerdings die Taktung des Promotion-Tages für sein Album „Zuhause“ die Ortswechsel vor. Aber Musikmachen war ja sowieso schon immer etwas für reiselustige Menschen.

„Zuhause“ besteht aus elf Songs, die oft von Aufbruch und Rastlosigkeit handeln. Die Inspiration für seine Songs holte sich der Endzwanziger dafür aus seiner anderen Leidenschaft: dem Reisen. Als Freak Folk Soul bezeichnet er seine Songs auf seiner Facebook-Seite. Wir sprachen mit ihm über das Album, Unterwegssein, Hip Hop, Songschreiben und noch ein paar andere nette Sachen.

MusikBlog: Du bist gerade dabei „Zuhause“ zu promoten. Sprich, Du gibst heute ein Interview nach dem nächsten. Was ist das für eine Erfahrung für Dich?

Matteo Capreoli: Es ist schon so etwas wie das Gefühl bei einem Marathon. Man denkt eigentlich gar nicht nach, sondern läuft einfach nur. So fühle ich mich im Moment. Ich bin gerade in ein Radio-Interview reingestolpert. Schon kommt die erste Frage und man ist On Air. Man denkt dann gar nicht groß nach, sondern plappert einfach los. So mach‘ ich das jetzt ja gerade auch.

MusikBlog: Als Du noch in Stuttgart gewohnt hast, hattest Du bei einem kleinen Label 2010 und 2011 mit „Ein Stück Geschichten“ und „Ein Stück Gute Zeit“ auch schon zwei Minialben veröffentlicht. „Zuhause“ erscheint bei einem größeren Label, das über ganz andere Vertriebsmöglichkeiten verfügt. Deine Musik erreicht somit auch viel mehr Menschen.

Matteo Capreoli: Das ist natürlich schon etwas anderes. Früher war das so, dass die Songs nur ein paar Leute gehört haben. Man hat irgendeinen Song gepostet. Hat auf die Resonanz gewartet und oft kam dabei wenig zurück. Jetzt passiert wirklich etwas. Die ersten Singles „Frag Mich“ und „Das Beste“ sind draußen. Und es ist plötzlich spürbar. Die Leute hören das. Die Songs laufen im Radio und es wird darüber gesprochen. Das ist schon noch mal was anderes. Ich bin mir noch gar nicht so richtig bewusst, wieviel Leute meine Musik inzwischen kennen. Es sind dann doch ein paar mehr, als ich dachte. Und ich bin gespannt, wohin es sich entwickelt und welches Publikum dann zur nächsten Tour kommt. Das ist so überhaupt meine Frage: „Welche Leute erreiche ich mit meiner Musik wirklich?“.

MusikBlog: Das Album heißt zwar „Zuhause“, aber in vielen Texten geht’s eigentlich mehr um das Unterwegssein. Um Unrast und in Bewegung sein. Sieht so auch Dein Leben aus?

Matteo Capreoli: Ja, ich bin eigentlich ständig unterwegs. Es gibt einen Ruhepol, das ist das Studio. Die KunstWerkStatt außerhalb von Hamburg. Da kann mich niemand erreichen, weil kaum jemand weiß, wo sie ist. Die ist an einem ganz kleinen Ort. Da gibt es quasi nur eine Tankstelle. Mehr ist da nicht. Sonst gibt es nur Natur und Wald. Es ist sehr ruhig und man ist für sich. Aber ansonsten bin ich eigentlich nur unterwegs. Entweder in Musiksachen oder eben auf Reisen. Ich reise echt gerne und guck mir neue Sachen an, die ich noch nicht gesehen hab‘. Diese Rastlosigkeit, das unterwegs sein, ist schon etwas wie mein Zuhause. Ich kann mich wirklich überall wohlfühlen. Egal ob in Indien, im Sudan, in Südamerika, in Hamburg oder in Köln. Das ist so. Ich hab‘ gemerkt, dass ich das kann. Ich habe zwar auch eine Wohnung, aber da bin ich so selten, dass ich das eigentlich gar nicht mein Zuhause nennen könnte.

MusikBlog: Rastlosigkeit kann ja auf die verschiedenste Weise motiviert sein. Sich zum Beispiel nicht fest binden wollen oder die Neugier, ständig etwas Neues erfahren und entdecken zu müssen. Was ist es bei Dir?

Matteo Capreoli: Ich liebe Geschichten. Und davon entdecke ich die meisten, wenn ich unterwegs bin und neue Leute kennenlerne. Geschichten von anderen zu erfahren. Geschichten zu erzählen. Im Austausch mit anderen Menschen zu sein. Und das bekomme ich eben nicht mit, wenn ich Zuhause bin. Außer vielleicht durch mein digitales Netzwerk. Aber das ist eigentlich nicht ganz so mein Ding. Ich gehe schon gerne raus, weil ich interessiert und neugierig bin. Es ist nicht so, dass ich mich nicht an etwas binden kann. Ich denke schon, dass ich irgendwann ruhiger werde. Das ist nicht das Problem. Aber im Moment ist es einfach die Zeit für mich, unterwegs zu sein.

MusikBlog: Ist ja auch ein großer Planet, auf dem man viel entdecken und sehen kann.

Matteo Capreoli: Stimmt! Und ich hab‘ noch viel zu wenig gesehen. Wer weiß was morgen ist. Das ist schon so meine kleine Philosophie.

MusikBlog: Du brauchst also auch immer die Konfrontation mit etwas Neuem und Unerwartetem wie man es eben am besten auf Reisen erlebt?

Matteo Capreoli: Auf jeden Fall. Wenn ich unterwegs bin und Dinge erlebe, dann schreibe ich auch viel. Die meisten meiner Lieder schreibe ich eigentlich auf Reisen. Egal, ob das im Tourbus ist, im Flugzeug oder in der Bahn. In der Bahn ist toll. Da hat man kaum Empfang oder nur sehr schlechten. Im Flugzeug sowieso. Das sind eigentlich die besten Spots. Da klapp‘ ich dann mein Notizbuch auf und schreibe los. Und wenn ich dann wieder ins Studio zurückkomme, dann fange ich an auszusuchen und zu sortieren, was zu was gehört. Deswegen bin ich so gerne auf Reisen. Und wenn die Deutsche Bahn Verspätung hat, bin ich der letzte, der sich darüber aufregt. (lacht)

MusikBlog: Was löst ihn Dir dann den konkreten Schreibimpuls aus? Was führt dazu, dass Deine Phantasie Erlebnisse in Geschichten bzw. Texte umsetzt? Irgendetwas, das Du beobachtest oder etwas, das Dich an etwas erinnert?

Matteo Capreoli: Das kann wirklich alles sein. Meinen Song „L.A.“ habe ich zum Beispiel geträumt. Ich bin aufgewacht und hatte die Melodie im Kopf. Ich hab‘ sie dann direkt aufgeschrieben. Manchmal ist es auch einfach so, dass ich etwas beobachte. Ich sehe zwei Menschen, die sich über irgendetwas unterhalten und in meiner Phantasie gestalte ich die Konversation ganz anders und schnüre dann daraus eine Geschichte. Wie gesagt, es kann wirklich alles sein.

MusikBlog: Stilistisch hört man Deinen Songs schon ein wenig an, dass sie auch von Musik aus den Sechzigern und Siebzigern beeinflusst wurden. Folk, Soul, Rock, Reggae, ein bisschen Psychedelic. Es klingt zwar nicht retro, aber man merkt, dass Du auf Deine Weise auch an klassische Singer/Songwriter aus dieser Zeit anknüpfst.

Matteo Capreoli: Retro ist eigentlich auch gar nicht so mein Ding. Der Begriff „zeitlos“ gefällt mir besser. Ich glaube, meine Songs können auch noch in zwanzig Jahren gehört werden. Es ist keine Stilistik drin, von der man sagen könnte „Das klingt ja wie 2015“. Das ist eher meine Sache. Klar, ich werde durch viele inspiriert, vieles aus L.A. und Kalifornien, wo Künstler den Singer/Songwriter-Folk neu interpretiert haben. Das hat mich zum Beispiel sehr inspiriert. Und sonst höre ich eigentlich hauptsächlich alte Sachen, die ich aus der Plattenkiste meines Vaters rausgekramt habe. Von Bob Dylan über die Stones, Hendrix, Stevie Wonder bis hin zu Bill Withers. Da ist wirklich alles drin. Ich habe mich auch lange mit den einzelnen Genres befasst. Ich bin da reingegangen und habe versucht, eine Mischung daraus zu basteln. Das heißt, ich habe es gar nicht versucht, sondern irgendwann gemerkt „Ich glaube, ich habe jetzt so einen Mittelpunkt zwischen diesen ganzen Dingern gefunden“.

MusikBlog: Und welche Rolle spielt Hip-Hop dabei? Man hört es Deinen eigenen Songs nicht an, aber Du hast ja als Musiker und Producer auch mit Leuten wie Samy Deluxe, Nico Suave, Flo Mega oder MoTrip zusammengearbeitet.

Matteo Capreoli: Eigentlich eine wichtige. Ich komme daher. Ich hab‘ früher in einem Jazz-Trio Schlagzeug gespielt. Den Jazz haben wir allerdings sehr Hip-Hop-lastig übersetzt. Ich bin mit Hip-Hop aufgewachsen. Dadurch bin ich auch zum Texteschreiben gekommen. Ich hab‘ zwar nie wirklich gerappt, aber es war meine Inspiration, selber Texte zu schreiben. Und das spielt bis heute noch eine wichtige Rolle. Vor allem, weil ich Schlagzeuger bin und der Beat für mich essentiell ist. Ich weiß nicht, ob das andere Menschen auch so wahrnehmen, aber ich höre in meinen Songs auch immer so eine Hip-Hop-Attitüde raus. Mein Gesang ist auch sehr rhythmisch. Es gibt bei mir auch keine ultraflächigen Sachen in den Songs. Das ist alles schon sehr rhythmisch angelegt. Und die nächsten Stücke, die kommen, werden noch beatlastiger sein. Hip-Hop bleibt auf jeden Fall ein Teil von mir.

MusikBlog: Diese ganzen Einflüsse scheinen jedenfalls mit dazu beitragen zu haben, dass Du im Lauf der Zeit in deinen Songs zu einer eigenen Art des Storytellings gefunden hast.

Matteo Capreoli: Ich hab‘ auch eine Weile gesucht. Früher hat man mir auch schon mal gesagt, dass ich wie jemand anderer klingen würde. Das habe ich jetzt endlich abgelegt. Mein Gesang ist auch ruhiger und tiefer geworden, weil mir die Texte wichtig sind. Früher habe ich ziemlich viel gebrüllt und immer sehr laut gesungen. Jetzt ist es so eine Mischung aus Gesang und Singsang. Rappen ist es auf jeden Fall nicht. Aber das ist auch etwas, von dem ich sagen kann, damit grenze ich mich ein Stück weit ab von typischen Singer/Songwritern. Oder von den ganzen Jungs, die es auf dem Sektor in Deutschland gerade gibt.

MusikBlog: Berühmte Abschlussfrage: Was sind Deine Ziele oder Wünsche als Musiker?

Matteo Capreoli: Ich will zunächst erst mal, dass ich mit meinen Jungs im Herbst eine gute Tour spiele. Ich hoffe, dass das Album so viel Anklang findet, dass die Locations in denen wir spielen werden ausverkauft sind. Das ist mein Ziel. Das ist das Wichtigste: Die Musik dann wirklich von Mund zu Ohr live wiederzugeben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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