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Zufallsprinzip – Le Very im Interview

Manchmal kommt es dann doch anders. Eigentlich wollten NIAS nur den Nachfolger für ihr zweites Album produzieren. Mit ihm war es dem Bandprojekt um Nikolas Tillmann und Milian Vogel vor drei Jahren gelungen, nicht nur in der Berliner Szene seine eigene Marke zu setzen.

Bei der Weiterentwicklung ihres Indie-/Elektronikpop-/Großstadt-Sounds kam ihnen der Gedanke, es auch mal mit Frauenstimmen zu versuchen. Sie hatten Glück, denn mit der Schauspielerin und Sängerin Naemi Simon, fanden sie die Stimme, die wie ein gesuchtes Puzzlestück zu den neuen Songs der Band passte. Als dann auch noch die beiden Tänzerinnen Ada Sternberg und Nuria Ranjana dazu kamen, stellten sie fest, dass dadurch eigentlich etwas vollkommen Neues entstanden war. Aus NIAS war Le Very geworden.

Mit dem durch achtziger Synthie-Pop inspirierten „V“ erscheint jetzt ihr erstes Album. Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist Nikolas Tillmann über ihre Entwicklung, das Album, Pop, ihre Live-Shows, die Tour mit Zoot Woman und vieles mehr.

MusikBlog: Eigentlich sind Le Very ja schon letztes Jahr mit der „Playground“-EP auf der Bildfläche erschienen. Wenn man sie mit dem Album vergleicht, dann sind die drei Stücke auf der EP noch rauer und kantiger. „V“ ist smoother im Klang, die Arrangements sind ausgefeilter und der Sound ist generell um einiges poppiger.

Nikolas Tillmann: Zu fünft gibt es uns ja erst seit einem Jahr. Aber in dieser Zeit haben wir schon ziemlich viel zusammen gemacht und erlebt. Von der EP, über die Tour hin zur Produktion des Albums. Und weil wir auch fünf verschiedene, starke Charaktere sind, hat sich unser Sound im Lauf dieser Zeit auch ziemlich verändert. So ist zum Beispiel unsere Sängerin Naemi ein ziemlich raumgreifender Charakter, der auch in der Musik wiedergespiegelt werden will. Genauso wie unsere Tänzerinnen Ada und Nuria, die auch etwas Neues miteingebracht haben. Durch sie haben wir angefangen, beim Schreiben auch an das Tanzelement zu denken – und wie wir das dann live umsetzen können. Manche Songs sind auch nur aus diesem Kontext entstanden. Bei der EP war das noch nicht so greifbar. Als wir die Songs geschrieben haben, war eben noch nicht ganz klar, in welche Richtung es gehen würde. Es war für uns überraschend, dass es diesen Weg ging. Aber es hat sich total richtig angefühlt. Und jetzt sind wir halt hier.

MusikBlog: Ein markantes Merkmal in vielen der Songs ist der Doppelgesang zwischen Dir und Eurer Sängerin Naemi.

Nikolas Tillmann: Das ist tatsächlich ein Charakteristikum. Das war auch der Grund, warum wir Naemi genommen haben. Wir hatten das Gefühl, dass unsere Stimmen einfach ziemlich gut zusammenpassen. Sie mischen sich sehr gut. Und in dieser Gesangskonstellation liegt schon eine ziemliche Stärke. Dieser chorartige Unisonogesang ist quasi schon zu einem Trademark der Band geworden.

MusikBlog: Unüberhörbar ist auch der deutliche Einfluss von achtziger Synthie-Pop auf eure Songs. Im Moment lassen sich ja einige Bands davon wieder inspirieren. Was macht für Dich den Reiz dieser Musik aus?

Nikolas Tillmann: In meinem Werdegang war die Musik der Achtziger einer der ersten Einflüsse, die ich überhaupt mitbekommen habe. Es ist einfach ein Jahrzehnt, in dem viel gute Popmusik geschrieben wurde. Die Achtziger waren schon eine sehr prägnante, starke Phase, in der zwar viel Schrott, aber auch extrem gute Musik gemacht wurde. Es ist aber jetzt auch nicht so, dass wir uns bewusst gesagt haben: „Let’s do the eighties!“. Überhaupt nicht. Wir stehen aber absolut auf alte Synthies. Und die haben natürlich auch den Sound damals geprägt. Ich glaube, die Achtziger sind in den etwa letzten fünf Jahren zu einem Basic Sound geworden, der quasi omnipräsent ist. Zumindest für die Bands, die ich gut finde, sind sie eine Art Grundnahrungsmittel.

MusikBlog: Pop ist bei Le Very offensichtlich ein grundlegendes Element. Pop ist allerdings auch ein ziemlich breiter Begriff, der viele Ausdeutungen zulässt. Wie definierst Du ihn für Dich?

Nikolas Tillmann: Ich benutze den Begriff Popmusik sehr gerne, weil es für mich ein Überbegriff für so ziemlich alles sein kann. Popmusik ist einfach eine Musik, die kommunizieren will und die sich nicht abgrenzt. Sie will wahrgenommen werden. Es ist keine Musik, die sich zurückzieht oder irgendwelchen Dogmen unterwirft. Sie ist vielseitig, wandlungsfähig und bewegt sich. Du kannst jeden Sound, jede Phase, jede Ästhetik und jede Art von Instrument mit einbinden. Es ist ein weit aufgestellter Begriff, den ich auch in unserer Musik widergespiegelt finde. Der Überraschungsmoment und die Vielseitigkeit machen Popmusik für mich so spannend.

MusikBlog: Eher ungewöhnlich für eine Band ist, dass eure beiden Tänzerinnen feste Bandmitglieder sind. Da man ja Tanz nicht unbedingt auf Aufnahmen hören kann, vermute ich mal, dass Live-Shows für Le Very eine essentielle Bedeutung haben.

Nikolas Tillmann: Als wir die Band gegründet haben, wollten wir weg vom klassischen Bandkonzept. Wir hatten uns schon damals überlegt, wie wir mit Leuten zusammenarbeiten können, die aus ganz anderen Ecken kommen. Unsere Sängerin ist zum Beispiel Schauspielerin. Und die beiden anderen Mädels kommen aus dem Tanz. Und wir Jungs eben aus der Musik. Natürlich hat das alles auch etwas miteinander zu tun. Wir fanden auch Live-Shows als Konzept immer geil – also keine Standardauftritte, bei denen ein Song nach dem nächsten gespielt wird. Wir wollten, dass es fast schon eine theatralische Inszenierung wird, in die man als Zuschauer eintauchen kann; Dass es schon etwas von Kino bekommt.

MusikBlog: Also so eine Art Multimedia-Show?

Nikolas Tillmann: Multimedia sehe ich jetzt da nicht so stark. Es soll einfach etwas passieren auf der Bühne. Es soll eine Show sein, die schon etwas bigger than life rüberkommt. Ein bisschen aufgeblasen auf eine bestimmte Art und Weise. Bei dem was da passiert nehmen wir uns da jetzt auch nicht todernst. Es geht eben einfach darum, dass man im Publikum etwas auf Augen und Ohren bekommt. Das ist so der Ausgangspunkt.

MusikBlog: Dazu passt, dass ihr bei euren Shows auch mit Kostümen agiert. Die kann man natürlich nicht in der Klamottenkettenfiliale an der Ecke kaufen. Habt ihr sie selbst entworfen oder habt ihr jemanden mit dem ihr da zusammenarbeitet?

Nikolas Tillmann: Eine befreundete Designerin, die auch Fan der Band ist, hat uns diese Live-Outfits gemacht hat. Es war einfach wichtig. Im Zusammenspiel von Musik, Tanz und Lightshow wirkt es eben nicht, wenn wir in normalen Klamotten auf der Bühne stehen. Aber wir sind jetzt generell keine Kostümwesen, die nur noch overstyled rumlaufen. Wir sind keine klassischen Fashion-Leute. Stil ist geil, aber darum geht es uns jetzt nicht zentral. Wir sind keine Glam-Rock Band, die nur noch so anzutreffen ist. Die Kostüme, die wir tragen, dienen einfach dazu, so ein bisschen Sternenstaub zu versprühen.

MusikBlog: Ein besonderer Coup ist euch Anfang des Jahres geglückt. Obwohl ihr vorher nur einen Auftritt in eurer jetzigen Besetzung gespielt habt, wurdet ihr als Support-Band von Zoot Woman gebucht und seid mit ihnen durch Europa gereist.

Nikolas Tillmann: Das war einfach Glück. Wir sind da so über drei Ecken drangekommen. Ihr Management sitzt auch in Berlin und sie haben eine Band für ihre Tour gesucht. So hat sich das dann ergeben. Sie fanden es gut, was wir machen. Aber es war eine megageile Zeit. Die Jungs sind coole Typen. Extrem nette Engländer. Es hat einfach sehr gut gepasst. Dass man über drei Wochen am Stück zusammenhängt, funktioniert auch nicht mit jeder Band.

MusikBlog: Eine Frage zum Titel des Albums: Wofür steht „V“ eigentlich – ganz klassisch für V wie Victory? Oder ist damit die lateinische 5 gemeint?

Nikolas Tillmann: Es soll tatsächlich eine Fünf sein. Es ist ein sehr einfaches und ikonisches Zeichen. Wir wollten mit dem Artwork gar nicht so viel erzählen. Wir betonen damit die Bandkonstellation und die fünf Einflüsse, welche die Band prägen. Und es geht darum, uns Fünf als Gruppe kennenzulernen. Davon abgesehen, passt „V“ natürlich auch gut zu dem „Very“ in unserem Bandnamen.

MusikBlog: Habt ihr eine Ahnung, wie es mit Le Very weitergehen könnte? Bislang ist bei euch ja vieles aus eher ungeplanten Umständen enstanden.

Nikolas Tillmann: Wir wollen keine Platten machen, die alle gleich klingen, sondern uns weiterentwickeln. So wie es sich zum Beispiel von der EP zum Album zeigte. So soll es weitergehen. Wir wollen uns immer wieder überraschen, damit die Sache auch für uns spannend bleibt. Bei uns wirken so viele Einflüsse mit rein. Man kann zwar etwas planen, aber meistens wird daraus dann doch etwas anderes. Wir sind eben vielseitig und auch unterschiedlich. Auf der einen Seite kann unsere Musik auf eine Art supercheesy sein. Aber andererseits gibt es bei uns sehr deepe und coole Seiten. Die wollen eben auch da sein. Menschen sind eben sehr vielschichtige Wesen. Und ich finde es wichtig, dass man das auch hören und sehen kann und sich nicht nur auf einen Aspekt beschränkt.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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