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Auch ohne Kostüm bin ich noch ziemlich unterhaltsam – Peaches im Interview

Routine war schon immer Feind der Kreativität. Nachdem Peaches über zehn Jahre den „Songs schreiben, Album machen und auf Tour gehen“-Turnus gelebt hatte, beschloss die Kanadierin deshalb mal andere Wege einzuschlagen. In dem sie ihren Schwerpunkt von Studioproduktionen auf Performance und Shows verlagerte, fand sie für sich neue Ausdrucksmöglichkeiten. Den Anfang machte sie 2010 mit „Peaches Christ Superstar“. Mit der Ein Frau-Umsetzung des Musical-Klassikers „Jesus Christ Superstar“ tourte sie um den Globus. Nebenbei arbeitete Peaches auch noch mit anderen Musikern zusammen und war so auf Stücken von Yoko Ono, Major Lazer, Christina Aguilera, R.E.M. zu hören. Letztes Jahr zog es die 46-jährige dann wieder ins Studio. Mit ihrem fünftes Album „Rub“ legte sie jetzt das Ergebnis vor. Wir sprachen mit ihr über das Album, ihre Texte, Miley Cyrus, Berlin und einiges mehr.

MusikBlog: „Rub“ beendet deine sechsjährige Plattenpause. Wie sieht’s in dir aus? Wie sind deine Gefühle?

Peaches: Ich bin wirklich ziemlich aufgeregt. In den letzten sechs Jahren habe ich andere Projekte verfolgt und mich kreativ in für mich neuen Bereichen ausgedrückt. Aber jetzt ist wieder die richtige Zeit für ein neues Peaches-Album. Die Leute wollen mit mir sprechen. Ich wurde als Pionierin bezeichnet und man hat mir gesagt, dass ich mit vielem was ich gesagt habe, richtig gelegen hab. Manche Menschen halten mich für wichtig. Grund genug glücklich zu sein.

MusikBlog: Du hast „Rub“ im Alleingang zusammen mit Vice Cooler produziert. Auf alle Fälle ein sehr vielseitiger Mann, der auch schon Videos für dich gedreht hat und als Musiker ab und zu auch schon auf Deinen Alben aufgetaucht ist. Was hat den Ausschlag gegeben, jetzt mit ihm ein komplettes Album zu machen?

Peaches: Er kann wirklich sehr mit bestimmten Musikprogrammen umgehen und holt ziemlich gute Sounds aus ihnen raus. Und er ist ein sehr guter Freund von mir. Wir haben einige gemeinsame Interessen und deshalb verstehen wir uns auch musikalisch ziemlich gut. Ich kenne ihn seit er 15 ist. Wir haben zusammen getourt und schon lange davon gesprochen mal etwas zusammen zu machen. Ich vertraue ihm vollkommen. Und er mir. Es gibt keine Ego-Geschichten zwischen uns und auch keine sexuellen Spannungen. Er arbeitet auch sehr strukturiert, hat viele Ideen eingebracht und zugesehen dass wir sie auch umsetzen. Wir haben über ein Jahr jeden Tag zehn Stunden in meiner Garage in L.A. an dem Album gearbeitet.

MusikBlog: Auf zwei Stücken sind Feist und Kim Gordon mit dabei. Mit Leslie Feist hattest du ja schon zusammengearbeitet. Wie war es, Kim Gordon für „Close Up“ im Studio zu haben?

Peaches: Sie ist wirklich absolut spontan. Man macht es sich eigentlich gar nicht so richtig bewusst, wieviel Erfahrung sie darin hat spontan experimentieren zu können. Sie kam rein hörte sich das Stück an. Es ist ja nicht unbedingt ein Track von der Art auf dem man Kim Gordon vermuten würde. Und sie hat direkt eine wirklich gute Hookline dafür gefunden. Sie wurde also zu meinem Chuck D. Wie damals auf Sonic Youth‘s „Kool Thing“. (lacht)

MusikBlog: Mit „Dumb Fuck“ und „Free Drink Ticket“ gibt es auch zwei Stücke, die für dich eher unüblich, sehr konkret auf Beziehungskatastrophen aus deinem eigenen Erfahrungsbereich basieren.

Peaches: Wenn es um so etwas wie Sex, Freiheit, Macht oder so etwas geht, habe ich nie ein Blatt vor den Mund genommen. Bei „Free Drink Ticket“ geht es zum Beispiel darum wie Liebe in Hass umschlagen kann. Beziehungen können sich zu einer grausamen Sache entwickeln. Liebe wird eben zu Hass. Aber gleichzeitig ist es aber auch irgendwie faszinierend zu beobachten wie aus jemand den man mal geliebt hat, jemand wird den man intensiv hasst. Du kennst dieses Gefühl? Stimmt’s? Ich glaube jeder kann das nachvollziehen. Ich wollte in dem Text dieses Gefühl beschreiben. Es ist schon verrückt was deine Psyche mit Dir anstellt, wenn du in so einer Situation bist.

MusikBlog: Wir schreiben zwar das Jahr 2015, aber es gibt immer noch einige Leute, die sich durch die direkte Sprache deiner Texte provoziert fühlen und deine relative Unverblümtheit als anstößig und vulgär empfinden.

Peaches: Es ist nichts Anstößiges in meiner Musik. Es ist mir auch egal, ob man mich für provokativ hält. Mir sind die Sachen wichtig, die ich sagen muss und das feiere ich. Eigentlich geht’s mir nur um eine Sache und das ist die Hoffnung, dass Menschen zu dem werden können, was sie sein möchten. Jeder sollte so sein können, wie es in ihm steckt. Das klingt einfacher, als es wirklich ist. Und gerade heute ist dieses Thema wichtiger denn je. Und es wird auch mehr darüber gesprochen, als früher. Es geht dabei auch nicht nur um Gender oder Sex und so etwas. Es geht darum, dass jeder so leben kann wie er es will. In den Medien und im Mainstream lässt man einen kaum über so etwas sprechen. Es gibt wenig Möglichkeiten, das zur Sprache zu bringen. Ich möchte im dem was ich tue einfach nur das ausdrücken was ich empfinde. Und diese Freiheit feiere ich mit diesem Album.

MusikBlog: Dein selbstbewusster Umgang mit Themen wie Gender und Sexualität scheint viele jüngere Musikerinnen und Sängerinnen beeinflusst zu haben. Besonders bei Miley Cyrus könnte man den Verdacht haben, dass sie das ein oder andere Peaches-Album auf dem iPod hat.

Peaches: Es gibt einige Frauen, die mir gesagt haben, dass ich einen Einfluss auf sie hatte. Aber bei Miley weiß ich es nicht. Keine Ahnung. Ich kenne sie nicht persönlich. Ich mag was sie macht. Besonders ihre Programme zugunsten von Obdachlosen, Schwulen und Transgender Teenagern, die zu Hause rausgeschmissen wurden und für die sie Geld sammelt. Das ist schon sehr wichtig. Für jemand der eigentlich aus Disneyworld kommt, sind das schon sehr bemerkenswerte Sachen. Außerdem möchte ich auch mal auf so einem riesigen Hot Dog reiten.

MusikBlog: Auch wenn man den Eindruck hat, dass der Anteil von Musikerinnen die Platten machen und auf Tour gehen zugenommen hat, scheint das Musikgeschäft generell aber immer noch ziemlich männlich dominiert zu sein. Wie siehst du das? Erkennst du Zeichen für einen Wandel?

Peaches: Ja schon. Zumindest ein bisschen. Aber es ist immer noch nicht so wie es sein sollte. Wenn man mal zum Beispiel große Festivals nimmt, dann sind von den ganzen Acts, die dort spielen nur ca. acht Prozent weiblich.

MusikBlog: Die Projekte und Shows die Du in deiner Studiopause gemacht hast, haben  einen stärkeren Fokus auf Deine Stimme gelegt. Ich habe den Eindruck, dass das auch einen Einfluss auf deinen Gesang auf „Rub“ hatte.

Peaches: Eigentlich war ich schon immer eine Sängerin. Ich konnte es nur nie richtig zeigen. Ich wollte nicht einfach eine weitere weibliche Sängerin sein. Mir ging es mehr darum, dass die Leute meine Musik hören und meine Message verstehen. Durch Projekte wie „L’Orfeo“ oder „Jesus Christ Superstar“ hatte ich die Möglichkeit, mich mal mit meiner Stimme komplett auszutoben.

MusikBlog: Neue Stücke – Neue Show nehme ich an. Mit „Rub“ gehst Du natürlich auch auf Tour. Im Oktober wird man Dich auch in Deutschland zu sehen bekommen. Wie wird die Live-Umsetzung der neuen Stücke aussehen?

Peaches: Im Moment fühle ich mich mehr mit Comedians und Performance-Künstlern verbunden, als mit Musikern. Es wird eine sehr old school-artige Show. Nur ich und zwei Tänzer. Keine Band. Und jede Menge Kostüme.

MusikBlog: Klingt unterhaltsam.

Peaches: Klar, wird das unterhaltsam. Selbst wenn ich kein Kostüm anhabe, bin ich immer noch ziemlich unterhaltsam.

MusikBlog: Ob mit oder ohne Kostüm, die visuelle Umsetzung Deiner Songs scheint dir auch sonst wichtig zu sein. So gab es bei „I Feel Cream“ zu jedem Song auch ein Video. Hast du für „Rub“ Ähnliches in Planung?

Peaches: Ja. Und da das Album auf meinem eigenen Label erscheint, ist es diesmal für mich sogar noch wichtiger. Plattenfirmen bezahlen zwar für die Produktion von Videos und Platten, aber dafür haben sie aber dann auch die Rechte daran. Man hat keine Kontrolle mehr darüber. Das ist jetzt anders. Diesmal werde ich die volle Kontrolle über meine Sachen behalten.

MusikBlog: Eher weniger bekannt ist, dass du schon 1995 dein erstes Album gemacht hast. Damals noch unter deinem richtigen Namen Merrill Nisker. Seit Anfang der 2000er Jahre kennt man Dich allerdings nur noch als Peaches. Wie würdest du den Unterschied zwischen Peaches und Merrill Nisker beschreiben?

Peaches: Natürlich gibt es da einen Unterschied. Auf der Bühne spreche ich zu tausend oder fünftausend Leuten. Und wenn ich offstage bin, dann spreche ich meistens nur mit einem Menschen. Es ist eben eine übersteigerte Version von mir, die aber natürlich auf der realen Person basiert. Manchmal verschwimmt das aber auch schon etwas. Privat nennen mich auch meine ganzen Freunde immer nur Peaches.

MusikBlog: Inzwischen lebst du schon seit 15 Jahren in Berlin. Was ist dein Eindruck von Deutschland?

Peaches: Mittlerweile lebe ich in Berlin und in L.A. Deutschland selbst hat mich eigentlich nie sonderlich interessiert. Aber ich bin ein großer Berlin-Fan. Es ist eine ziemlich spezielle Stadt. Sehr offen. Aber ich glaube, dass muss ich dir nicht erzählen. (lacht)

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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