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Lou Barlow – Brace The Wave

“Brace the Wave” ist ein leises Album – das aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt, das noch lange nachschwingt, auch wenn der Player schon ausgeschaltet ist.

Lou Barlow ist seit mehr als 30 Jahren eine feste Größe in der Indie-Szene. Nach seinen Anfängen mit der Hardcore-Band Deep Wound gründete er mit J Mascis 1984 Dinosaur Jr., spielte dort vier Jahre lang Bass, bis er sich im Streit von Mascis und Dinosaur trennte. Barlows spätere Kooperationen und Bandgründungen waren nicht weniger bedeutend: Am bekanntesten sind neben der stilprägenden Truppe The Folk Implosion sicherlich Sebadoh, die mit ihrem intensiven Lo-Fi (kein Widerspruch) Maßstäbe setzten. Aus Sebadoh entstand das Soloprojekt Sentridoh, und Barlow veröffentlicht bis heute auch Platten unter seinem eigenen Namen – wie jetzt, sechs Jahre nach “Goodnight Unknown”, Barlows bisher letztem Soloalbum.

Handelte das 2013 veröffentlichte Sebadoh-Album “Defend Yourself” in erster Linie vom Zerbrechen Barlows langjähriger Ehe, öffnet sich “Brace The Wave” dem Neuanfang beziehungsweise dem Weitermachen nach einem solchen persönlichen Einschnitt. Lou Barlow selbst ist gerade 49 geworden: Da hat man Urteile á la Midlife-Crisis schnell bei der Hand, und vielleicht trifft es ja auch zu, dass eine Trennung im fortgeschrittenen Lebensalter schwerer zu verarbeiten ist.

In seinen neuen Songs schwelgt Barlow allerdings weniger in Selbstmitleid als in durchaus zorniger (Selbst-)anklage, ist in den Lyrics so unentschlossen-entschlossen, wütend, leidenschaftlich und reumütig wie als junger Mann. Die Schmerzverarbeitung ändert sich also nicht wesentlich im Lauf der Zeit: “I’ll leave you alone / but don’t go” ruft Barlow im Quasi-Titeltrack “Wave” der Liebe seines Lebens hinterher, die Ambivalenz der Situation ist förmlich greifbar.

In “C & E” lotet Barlow die Untiefen menschlicher Beziehungen noch weiter aus, erwartet gar seine Wiedergeburt nach all dem Schmerz. Wie früher schon mit Sebadoh sind die Arrangements von Barlows Songs bis zum Minimalismus reduziert: Meistens gibt es nicht mehr zu hören als Stimme und das Klopfen seiner Finger auf der Gitarre, und doch sind Stücke wie “Repeat” oder der Opener “Redeemed” voller Spannung und Intensität. Barlow setzt musikalische Stilmittel sparsam ein, streut Americana-, Folk- und Countryelemente ein, bei “Moving” macht sich tatsächlich tanzbare Aufbruchstimmung breit.

“Brace The Wave” ist, und das mag pathetisch klingen, ein Zeugnis vom Überleben eines Mannes, der sich noch nie scheute, Gefühle zu zeigen – this is heart core.

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