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Car Seat Headrest – Teens Of Style – Keine Waschstraße in Seattle

Auf der Rückbank der Familienkutsche geriet so mancher Jungspund zum ersten Mal mit der weiten Welt der Popmusik in Kontakt. So vermutlich auch Will Toledo. Er war mit dem Auto seiner Eltern sogar so vertraut, dass er in ihm als Teenager seine ersten Songskizzen anfertigte. Dafür benötigte er Ruhe, denn sein Songwriting war schon immer ziemlich intim. Sein Projekt taufte er Car Seat Headrest. Mittlerweile hat er nicht nur eine große Menge Songmaterial gesammelt, sondern auch eine eigene Band. Mit der hat er nun Songs seiner drei Soloalben neu strukturiert und aufgenommen, die er zuvor in bester DIY-Manier via Bandcamp veröffentlichte.

Obwohl die Alben je aus einem anderen Jahr stammen, klingt die auf Matador veröffentlichte Kollektion „Teens Of Style“ in ihrer Mannigfaltigkeit doch stilsicher und stringent. Toledo hat Glück gehabt, Ethan Ives (Bass) und Andrew Katz (Drums) kennengelernt zu haben. Das Bandformat war eindeutig die richtige Wahl. Die üppigere Instrumentierung verleiht den Stücken weitaus mehr Ausdrucksstärke, auch wenn Car Seat Headrest für ein One-Man-Project schon immer recht breit aufgestellt wirkte.

Erst jetzt kann man aber erkennen, wie weit Toledo in seinen Songs bereits zuvor gedacht hat. Angenehm schäbig klingen sie jedoch immer noch. Das Trio steht offensichtlich auf verdreckte Garage-Rumpelkammern sowie Lo-fi-Qualität und erscheint in seinen besten Momenten („Something Soon“) so euphorisch wie Yuck in ihren Frühzeiten. Sebadoh könnten die drei Freunde aber ebenso gehört haben.

Doch neben Indie-Rock drangen bei den dreien wohl damals noch andere Genres nach hinten durch. „Los Barrachos (I Don´t Have Any Hope Left But The Weather Is Nice)“ glänzt mit Dream-Pop-Exkurs und einer leichten Prise Surfrock.

„Maud Gone“ hingegen klingt mit seiner 8-bit-Melodie nach Beck in seiner experimentellsten Phase und „No Passion“ baut einen Hauch Psychedelica mit ein, was wohl den frühen Laptop-Arbeiten von Toledo geschuldet ist. Passend dazu dominieren zwischenzeitlich kräftige Bassläufe und raue Gitarreninfernos.

Dann lässt der Grunge grüßen. Und dieses Mal sind wir ausnahmsweise wirklich mal in Seattle. Dort haben sich die drei nämlich kennengelernt. Dennoch sollte erwähnt werden, dass die Gitarren auf dem 2013 veröffentlichtem „Nervous Young Man“ deutlich stärker hervorstachen – ein Album, das bei der Auswahl für „Teens Of Style“ unberücksichtigt blieb.

Textlich betrachtet hat Toledo viel Teenage Angst getankt. Seine leichten Spoken Word-Tendenzen aber auch wüsten Schreiausbrüche erzählen von Drogen, diversen Ängsten und Lethargie-Anflügen. Düster klingt das aber nicht. Stattdessen überrascht der Autoliebhaber stimmlich mit noch mehr Variation als auf seinen solo aufgenommenen Platten. Produktionstechnisch meidet er weiterhin die Waschstraße: Die Mikrofon-Einstellungen sind fast identisch geblieben und so klingt Toledo wieder ein wenig nach dem verrauschtem Julian Casablancas.

„Teens Of Style“ ist voll von diesen Momenten, die das Zeug zum neuen Lieblingssong haben. Ganz wie als man damals noch auf der Rückbank saß und nur die Hälfte mitbekommen hat. Zu allem Übel schwächelte auch noch die Frequenz, es rauschte und knisterte permanent. Und trotzdem freute man sich inbrünstig über jede Sekunde Musik und wünschte sich mit aller Kraft, dass der Moderator gleich noch den Interpreten und Songnamen nennt. Die Ungeschliffenheit und Spielfreude erinnern jedenfalls an eine Ära, in der Musik noch richtig groß war. Ein leidenschaftliches wie facettenreiches Debüt einer Band, die hoffentlich noch viele gemeinsame Fahrten vor sich hat. Mal sehen, wer im Tourbus hinten sitzen wird.

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