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Mir ist fundierte Kritik lieber als oberflächlicher Lobgesang – BOY im Interview

Anmerkung der Chefredaktion: Es ist bei MusikBlog normalerweise gute Tradition, das Interview mit einem Künstler zum Albumstart mit der Plattenkritik zu veröffentlichen. Bei BOY lief es diesmal ein bisschen anders. Nachdem der Termin endlich stand, kam die Info, dass das Interview vor der Veröffentlichung erst noch freigegeben werden muss. Erstes Stirnrunzeln, dann aber Interview an BOY geschickt und schließlich zurückerhalten, allerdings mit jeder Menge Änderungen.

Wie schon Labelchef Herbert Grönemeyer in seinem Song fragte: “Was soll das?”. Schließlich sind BOY erwachsene, professionelle Leute, die weder volltrunken zum Interview erscheinen, noch unfähig sind sich sprachlich auszudrücken. Zudem sind sie keine Politiker oder Pressesprecher von VW, BP oder anderen Unternehmen, bei denen es auf jedes Wort ankommt.

Wir fragen deshalb BOY, Tocotronic, Marcus Wiebusch, Miss Platnum und die 1-2 anderen deutschen Künstler, die sich ihre Interviews autorisieren lassen:

  1. Meint ihr wirklich, es macht einen Unterschied für euer Image, eure Platten-Promo oder sonstiges, wenn in einem Interview “schön” statt “toll” oder Ähnliches steht?
  2. Warum meint ihr, verzichten alle anderen Bands (z.T. sehr viel größer und politischer als ihr) darauf, aber ihr habt es nötig?
  3. Ist Pressefreiheit (zu der sowas auch gehört) für euch kein hohes Gut? Wie steht’s denn mit künstlerischer Freiheit in euren eigenen Texten?

Hier nun also unser freundliches, weichgespültes und von BOY redigiertes und offiziell freigegebenes Interview mit Valeska Steiner. (Ende Anmerkung der Chefredaktion)

MusikBlog: Hi Valeska. Euer zweites Album „We Were Here“ steht jetzt seit einer Woche in den Läden. Ähnlich wie in den Wochen nach der Veröffentlichung eures Debütalbums kann ich auch dieser Tage keine einzige negative Rezension im World Wide Web ausfindig machen. Habt ihr schon eine gefunden?

Valeska: Es gibt schon auch die eine oder andere kritische Zeile. Das ist auch völlig in Ordnung. Mir persönlich geht es immer weniger um die Beurteilung, sondern mehr darum, wie sich die Leute mit unserer Musik auseinandersetzen. Ich finde es immer wieder spannend, wenn ich merke, dass sich jemand wirklich Mühe beim Zuhören gibt. Da spielt dann auch die Bewertung letztlich nur eine untergeordnete Rolle. Mir ist eine fundierte Kritik lieber als ein oberflächlicher Lobgesang.

MusikBlog: Was passiert dann mit dem Gelesenen in euren Köpfen? Nehmt ihr was mit?

Valeska: Ich glaube, allzu lange sollte man sich damit besser nicht aufhalten. Man kann es sowieso nie allen recht machen, deshalb sollte man sich umso mehr auf das eigene Gefühl besinnen, wenn man kreativ sein möchte.

MusikBlog: Eine weise Entscheidung, wie ich finde. Das neue Album klingt in meinen Ohren reifer und größer. Ein normaler Prozess?

Valeska: Ich denke schon. Wir waren davor knapp zweieinhalb Jahre unterwegs. Diese Zeit hat uns geprägt und auch musikalische Spuren hinterlassen.

MusikBlog: Sind die neuen Songs nach dieser langen Zeit auf Tour nur so aus euch heraus gesprudelt? Oder gab`s auch mal Blockaden?

Valeska: Es war schon so, dass sich nach der Tour jede Menge Ideen und Gedanken angesammelt hatten. Aber es hat dann doch etwas Zeit gebraucht, all das in ein musikalisches Ganzes zu verwandeln.

MusikBlog: Da fällt mir doch glatt der Song „New York“ vom neuen Album ein.

Valeska: Genau. (lacht) In einer unserer Schreibphasen hatten wir eine kleine Inspirationsdurststrecke. Zunächst dachten wir, dass wir mal raus müssten. Aber daran lag es natürlich nicht. Das wurde uns auch irgendwann bewusst. Also haben wir den Gedanken wieder verworfen und uns stattdessen zu Hause inspirieren lassen.

MusikBlog: Dort konntet ihr auch ohne Druck arbeiten. Euer Label hat euch einfach machen lassen.

Valeska: Dafür sind wir unserem Label auch sehr dankbar. Es ist ja normalerweise so, dass die Leute schnell nachlegen wollen, wenn das erste Album ein Erfolg war. Bei uns war das glücklicherweise anders.

MusikBlog: Ihr habt ja mit Herbert Grönemeyer einen ziemlich prominenten Label-Chef vor der Nase. Hat er euch persönlich zur Seite genommen, als es um das Schreiben neuer Songs ging?

Valeska: Obwohl Herbert natürlich hauptsächlich mit seiner eigenen Musik beschäftigt ist, ist ihm der Kontakt zu seinen Künstlern wichtig, was wir sehr schätzen. Es ist ein schöner Austausch, er lädt uns zu seinen Konzerten ein und kommt bei unseren vorbei. Bevor wir uns ans zweite Album setzten, gab es tatsächlich ein Gespräch, in dem er zu uns meinte, wir sollen uns ja keinen Druck machen, oder das Gefühl haben, es müsse ein zweites „Little Numbers“ her. Wir sollen einfach machen, worauf wir Lust haben und uns als Künstler weiter entwickeln. So etwas vom Labelchef zu hören, ist total toll. Aber er ist natürlich auch selber Künstler und weiss, wovon er spricht.

MusikBlog: Wie entspannt ist man eigentlich nach einer derart beeindruckenden Erfolgsstrecke?

Valeska: Zum Glück ist es uns beim Schreiben und Aufnehmen der neuen Songs ganz gut gelungen, alles was davor passiert war, auszublenden. Das hat uns einigermassen entspannt arbeiten lassen, ohne den Druck, an etwas anknüpfen zu müssen. Es hat sich eigentlich so angefühlt wie beim ersten Album – man versenkt sich in die Arbeit und lässt sich davon leiten, was einen inhaltlich und musikalisch in dem Moment bewegt.

MusikBlog: Fällt euch das schwer? Ihr hinterlasst immer einen so geerdeten Eindruck.

Valeska: Wir wollten nie Musik machen, um berühmt und verehrt zu werden. Das war nie unser Ziel. Natürlich freuen wir uns sehr darüber, dass so vielen Leuten unsere Musik gefällt. Aber diese Freude ist kein Grund, um abzuheben. Wir sind immer noch die Gleichen; zwei Musikerinnen, die gut befreundet sind und gerne zusammen arbeiten.

MusikBlog: An Musik, die mittlerweile auch in Nordamerika, Kanada und Japan abgefeiert wird.

Valeska: Ja, das ist toll!

MusikBlog: Auf nähere Highlights einzugehen, würde sicherlich den Rahmen sprengen, oder?

Valeska: Auf jeden Fall. (lacht) Es ist schwierig, aus all den schönen Erfahrungen, die wir gesammelt haben, einzelne Höhepunkte herauszupicken. Die Tatsache, dass wir so weit reisen konnten mit der Musik war schon ein Highlight für sich, und dass wir in Amerika ausverkaufte Konzerte spielen konnten, bei denen das Publikum die Texte mitsingen konnte, war unglaublich. Wir sind wirklich sehr dankbar für alles, was bisher passiert ist.

MusikBlog: Schon Ideen, wo es mit dem neuen Album hingehen soll?

Valeska: Es wäre schon ein Traum, wenn wir überall dort, wo wir bereits waren, noch ein zweites Mal spielen könnten. Aber es hat auch immer einen Zauber, eine Sache zum ersten Mal zu erleben. Wir kriegen viel Post aus Brasilien. Dort waren wir noch nie, und dort zu spielen wäre sicher toll. Vielleicht klappt das ja irgendwann einmal! Aber im Grunde spielen wir überall gern – ganz egal, ob vor der Haustür oder auf einem anderen Kontinent.

MusikBlog: Bitte genau so weitermachen. Dann klappt’s bestimmt auch mal mit Brasilien.

Valeska: Das wäre schön.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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