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Sophie – Product

Es ist nun wirklich nicht so, als ob der Wahnsinn sich nicht langsam, aber sicher angekündigt hätte. Mehr als die Hälfte der Nummern des Sophie-Debüts erschien bereits 2013 und 2014 im Netz. Das Material ließ schon erahnen, was für eine glitschig-abstruse Klebemasse „Product“ werden wird. Die acht Stücke entpuppen sich jedenfalls als eigenwillige Zerreißprobe für das Konvention und Maß gewohnte Ohr. Nach dem Vorboten „Bipp“ war das aber auch wirklich keine Überraschung mehr.

Besagte Nummer bestand aus irren Wortfetzen-Samples und kann wegen der wahnwitzigen Beats aus heutiger Sicht als programmatisch für das Debüt des britischen Produzenten gelten. Korrekt, Sophie ist ein er und auch bei der Musik nichts so, wie es scheint. Deswegen ist für diese Konvergenz aus Grime, Dub und Dance auch bis heute noch kein adäquater Hashtag gefunden worden.

Das Versprechen „I can make you better“ auf „Bipp“ war aber dennoch keine leere Phrase. Denn wenn man sich einmal auf diese kunterbunte Odyssee durch die Residuen britischer Bassmusik einlässt, kann man durchaus Gefallen an den zahlreich obskuren Soundvisionen finden. Denn der Silikon-Pop von Sophie ist alles andere als Einheitsbrei. Wobei man wohl auch von einem Abgesang auf die Club-affine Tradition von UK-Bass sprechen muss.

„Lemonade“ klingt mit seinem lasziven Rap, als wäre M.I.A. durch den Helium-Vocoder gejagt worden – bis EDM-Schnipsel sich in das Geschehen fügen und für noch mehr Verwirrung sorgen. Alle Tracks konkurrieren um die höchste Störfaktor-Frequenz. Und doch sind sie letzten Endes alle Gewinner. „Hard“ outet sich mit seinen blechernen Drums als echte Grime-Parodie und auch „MSMSMSM“ klingt, als würde man Fatima Al Qadiri nicht nur ordentlich pitchen, sondern auch mächtig durch den Kakao ziehen.

Ebenso kann man „Product“ als EDM-Verulkung lesen. All der 90-er Trash und Hang zu Helium-Stimmen, die popkulturell gerade ihre Renaissance erfahren, werden von Sophie sozusagen dekonstruiert. Das vorgetragene Tanzdiktat und die alberne Plastik-Melodie auf „Vyzee“ halten den ganzen Trash-Adoptionen in ihrer kompromisslosen Stupidität nahezu den Spiegel vor. Dann folgen hingegen wieder Klanginstallationen, die weniger als Kommentar auf die Musikindustrie zu rezipieren sind, sondern pure Experimentierfreude artikulieren. Auf „L.O.V.E.“ scheint Sophie nervtötendes Fliegen-Surren zu loopen, das von abrupt einsetzenden Maschinengewehr-Beats abgelöst wird.

Sophie versucht sich natürlich in reiner Inszenierung, auch wenn der Abschluss mit „Just Like We Never Said Goodybe“ schon fast einen authentisch nostalgischen Unterbau verrät. Es verwundert jedenfalls nicht, dass es zum Album in limitierter Auflage einen Dildo, Plateau-Damenschuhe in Manga-Optik oder eine Sonnenbrille im Angebot gab. Doch auch so dürfte Sophie die Aufmerksamkeit sicher sein.

Für „Product“ gibt es keine Kunden-Hotline. Es ist jetzt schon Eigenmarke und Musik, die vor allen Dingen ein riesiges Fragezeichen hinterlässt.

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