So ein Nerd bin ich nicht – Get Well Soon im Interview

Beschäftigt man sich mit hierzulande produziertem Pop mit Anspruch, der bisweilen auch mal in die Indie-Richtung abdriftet, dann stolpert man früher oder später zwangsläufig über den Namen Konstantin Gropper. Der Mannheimer, der nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt unter dem Projektpseudonym Get Well Soon durch die Lande zieht, zeigte der ähnlich gestrickten nationalen Konkurrenz mit all seinen bisher veröffentlichten Werken stets die lange Nase. Auch mit seinem neuen Album „Love“ hält der 33-Jährige Vergleichbares weiter auf Abstand. Gewohnt opulent und klassisch instrumentiert thront die musikgewordene Analyse der Liebe auf Groppers reserviertem Thron. Wir trafen den Get Well Soon-Verantwortlichen in Berlin und sprachen über musikalische Achterbahnfahrten, die Liebe und das Vatersein.

MusikBlog: Konstantin, bevor wir über dein neues Album „Love“ sprechen würde ich gerne erst einmal kurz zurückblicken. Du hast im vergangenen Jahr drei EPs veröffentlicht, darunter eine reine Cover-EP. Standen bei letzterer die ausgewählten Tracks von vornherein fest? Oder gab es auch Songs, die du gerne neu interpretiert hättest; die aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht funktioniert haben?

Konstantin Gropper: Es gab schon eine engere Auswahl. Aber ja, es gab auch Songs, an denen ich gescheitert bin. (lacht) Das lag dann meist daran, dass der Respekt vor dem Original einfach zu groß war.

MusikBlog: Zum Beispiel?

Konstantin Gropper: Nun, ich hatte eigentlich vor, „Surf’s Up“ von den Beach Boys zu covern. Das ist nämlich mein Lieblingssong von der Band. Aber irgendwie hat das hinten und vorne nicht geklappt. Irgendwann habe ich dann aufgegeben und mich für „Til I Die“ entschieden. Ist ja auch ne schöne Nummer.

MusikBlog: Veränderung, Entwicklung und der klassischer Blick über den eigenen Tellerrand stehen bei Get Well Soon ja an der Tagesordnung. Jedes Album klingt irgendwie anders. Ist das ein Punkt, der dir besonders wichtig ist, wenn es um das Schreiben neuer Songs geht?

Konstantin Gropper: Ja und Nein. Es ist jetzt nicht so, dass mich vor jeder neuen Produktion nochmal eingängig mit der Vergangenheit beschäftige, um auch ja sicher zu gehen, dass ich mich nicht wiederhole. So ein Nerd bin ich nicht. Ich denke, dass mein Verlangen nach Entwicklung und neuen musikalischen Pfaden ganz normal ausgeprägt ist. Ich meine, wer will schon ewig gleich klingen? Sicher, es gibt Bands und Künstler, die ihre Trademarks über Jahrzehnte mit auf Reisen nehmen, und denen man das auch nicht übel nimmt. Aber ich fand schon immer die Künstler am spannendsten, die sich im Laufe ihrer Karriere mehr als nur einmal von einer anderen Seite präsentiert haben. An diesen Leuten orientiere ich mich auch. Das ist mein Maßstab, wenn es um Grundsätzliches geht.

MusikBlog: Dein neues Album „Love“ präsentiert sich auch wieder als eine Art musikalische Wundertüte. Das fängt ja eigentlich schon beim vermeintlichen Albumtitel/Albumcover-Gegensatz an. Man sieht ein Gemälde von Friedrich Gauermann: zwei Bären machen sich über einen toten Hirsch her, ein dritter nähert sich von hinten. Und drüber prangt in dicken Lettern der Titel „Love“. Wo ist da die Verbindung?

Konstantin Gropper: Die ist schon da, man muss halt nur ein bisschen nachdenken. (lacht) Zum einen stammt das Bild ja aus einer Epoche (Romantik), die perfekt zum Albumtitel passt. Zum anderen entdeckt man aber auch viel auf dem Bild, das mit Liebe zu tun hat. Dieses Doppelbödige war natürlich gewollt. Mir war schon klar, dass da viele Leute erst einmal grübeln würden. Aber es ist doch so: Was sieht man auf dem Bild?

MusikBlog: Zwei Bären, die sich über einen toten Hirsch hermachen. Im Hintergrund nähert sich ein dritter Bär.

Konstantin Gropper: Exakt. Da ist aber auch noch ein kleiner Bär zu sehen. Ergo: Es geht hier um Schutz, Trieb und Rivalität; alles Dinge, die in der Liebe eine große Rolle spielen.

MusikBlog: Ich mache ein großes Häkchen.

Konstantin Gropper: Sehr schön. (lacht)

MusikBlog: Lass uns über die Musik sprechen. Mir ist aufgefallen, dass sich ein ungewohnt positiver roter Faden durchs Album zieht.

Konstantin Gropper: Ja, das stimmt. Ich habe mich ja auch schon auf dem letzten Album mit der Grundthematik beschäftigt. Damals endete allerdings alles mit der Beschwörung des Weltuntergangs. Diesmal bin ich etwas konstruktiver zu Werke gegangen. Ich wollte die Liebe als positiven Ansatz präsentieren.

MusikBlog: Viele Songs auf dem Album gehen bereits im Titel auf das Thema ein. Sprich: „It’s A Tender Maze“, „It’s A Fog“, etc.

Konstantin Gropper: Da geht es um die reine Definitionsfrage. Wie empfinde ich Liebe? Wie präsentiert sie sich mir? Als was nehme ich sie wahr? Manchmal ist die Liebe einfach ein undurchdringlicher Nebel. (lacht)

MusikBlog: Du bist vor vier Jahren Vater geworden. Hängt die neue Positivität in deinen Songs vielleicht auch damit zusammen?

Konstantin Gropper: Auf jeden Fall. Vaterwerden und Vatersein verändert alles. Man setzt sich plötzlich mit ganz anderen Perspektiven auseinander. Man bekommt eine neue Rolle dazu. Das prägt schon, und macht natürlich auch vor der Musik nicht Halt.

MusikBlog: Die meisten Künstler, die Eltern geworden sind, geben die Balance zwischen Beruf und Familie als größte Herausforderung an. Siehst du das ähnlich?

Konstantin Gropper: Ja, absolut. Es ist vor allem eine Challenge fürs eigene Bewusstsein. Ich bin ja jemand, der primär in seinen eigenen vier Wänden arbeitet. Ich bin also viel daheim. Und wenn ich schreibe, oder an Songs arbeite, dann bin ich immer ziemlich versunken in Gedanken. Ich kann da immer nur sehr schwer abschalten und mich von jetzt auf gleich in die reale Welt zurück beamen. Einem Vierjährigen ist das aber schnuppe. Den interessiert das nicht. Der kommt einfach und fragt. Das sind dann Momente, die wirklich herausfordernd sind für mich. (lacht) Mittlerweile kriege ich das aber ganz gut hin.

MusikBlog: Würdest du dich als glücklichen Vater bezeichnen?

Konstantin Gropper: Ja, definitiv. Trotz aller Hürden, ist es ein großes Geschenk. Vor allem kommt man als Künstler auch mal wieder mit dem wirklichen Leben in Kontakt. Man landet praktisch wieder auf dem Boden der Tatsachen, und verliert sich nicht mehr so oft in vermeintlichen Traumwelten.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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