Dem geneigten Kreuzberg-Punker dürften die Tränen in die Augen geschossen sein, als die Terrorgruppe 2004 erklärte, niemals wieder eine Konzertbühne zu betreten. Und tatsächlich hielt diese Androhung, ganz untypisch für das „Musikbusiness“, auch zehn Jahre. Was dann kam, ist mit Verlaub großartig gewesen – dem Comeback folgte ein Siegeszug durch die Szeneclubs der Republik mit dem original durchgespielten Livealbum „Blechdose“. Und dass solche Erfolge nicht selbstverständlich sind, zeigte das vergleichsweise eher müde Comeback von Slime.

Lange angekündigt und sogar im Freizeitprogramm eines Spartensenders angebiedert, die Terrorgruppe ließ keine Gelegenheit aus, die Werbetrommel zu rühren. Und die Liveauftritte hatten ja bekanntlich auf einiges hoffen lassen. Gemessen am eigenen Anspruch „Aggropop“ kann man bei „Tiergarten“ den Haken hinter „Pop“ schon mal getrost machen. Aalglatter Gitarrenpop macht sich breit, geht nett ins Ohr. Um sich genau so nett aus dem anderen Ohr wieder zu verabschieden. Wer Punkrock erwartet wird enttäuscht.

Bestes Beispiel der Titel „Wie es der Staat mag“. Musikalisch unspektakulär und mit einem Text versehen, der eher den Toten Hosen als den Ton Steine Scherben entspricht. „Du und ich im Hamsterlaufrad von diesem Quatschsystem B-b-b-baby wir machen noch alle mit und denken, dass wir drüber stehen“ – sorry Jungs, dass reicht nicht für das Häkchen bei „Aggro“.

Und dieses Problem zieht sich durch das gesamte Album. Melodien für Millionen. An allen aktuellen Thematiken („Blutbürger“) wird sich brav abgearbeitet und somit allen geistigen Erwartungen an Punkrock Genüge getan. Unterm Strich bleibt ein grundsolides Album, 14 Songs zum bequem Durchhören, ohne Ecken und Kanten. Erneut gibt es eine Zusammenarbeit mit den Meistern des geschliffenen Worts K.I.Z. – mit Sicherheit ein Highlight der Platte.

Ansonsten alles etwas blass und die Kritik meist etwas ungewürzt – allerdings kann man sich das eben leisten, wenn man die Terrorgruppe ist und niemand mehr beweisen muss, dass man es kann. Sicherlich kann man das Comebackalbum auch als Übergang zur Massentauglichkeit sehen, und das ist vielleicht auch gut so. Denn ihre kritische Haltung haben sich die Männer bewahrt und halten damit auch nicht hinter dem Berg.

Man darf gespannt sein, wie sich die neue Terrorgruppe live gibt. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Terrorgruppe immer noch auf der urgewaltigen Welle Punkrock durch die Nation surft und alles und jedem eine ordentliche Ladung Kritik ins Gesicht spuckt.

P.S. Wem die Matthias Reim Jubiläumsbox kein Begriff ist, der sollte sich mit dieser Materie dringend auf einschlägig bekannten Internetvideoplattformen beschäftigen. Und diese jämmerliche Kaufaufforderung dann mit der „Tiergarten – Ansage 1“ von MC Motherfucker vergleichen. Traurig aber wahr.

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