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TÜSN – Schuld

Heiß war es auf dem MELT! im Juli des letzten Jahres. Vielleicht ein Grund, warum sich das Publikum beim Set von TÜSN im Intro-Zelt eher schütter versammelte. Dabei hatten die Berliner doch mit „Schwarzmarkt“ und „Zwang“ vorneweg im Netz gepunktet, auf der großen Bühne wirkte die Show dann allerdings wie Macbeth im Mäusetheater, der lärmig überdrehte Sound besorgte den Rest. Im kleineren Rahmen und mit reduziertem Lärmpegel machte die Band auf dem Reeperbahnfestival schon einen viel besseren Eindruck, und schaffte es schließlich in das Vorprogramm von Marylin Manson.

Nach ihren Appetizern via Spotify und Soundcloud folgt jetzt das Debut-Album “Schuld”. Der Blick auf die Trackliste, auf der sich neben ihren kleinen Hits weitere 10 Stücke finden, beeindruckt bereits durch die Song-Titel. Ob die Herren Humboldt und Hannibal, ob die Elemente Wasser und Wind – die Themen, die beackert werden wollen, lassen schweren Stoff erahnen.

„In Schwarzen Gedanken“ heißt geheimnisvoll und passend zum Habitus der Band ein weiteres Stück, man gibt sich unnahbar und lässt sich auch sonst wenig in die Karten schauen.

Semi-sichere Infos besagen, dass sich Sänger Snöf, Daniel (bedient den Bass) und Tomas (Schlagzeuger) in der Hauptstadt zum Musik machen treffen, ihre Affinität zu Gitarren sich jedoch bald zugunsten synthetischer Klangerzeugung verschob.

Diese Mischung passt dann zu den Texten, die mit viel Pathos aufgetragen, die vom Licht abgewandte Seite menschlichen Verhaltens beleuchten wollen. Der Sänger leidet, hinterfragt, verzweifelt und bricht aus Denkschemata aus wie derweil der junge Klaus Kinski.

Der Sound der Platte hat indes wenig mit den hämmernden Live-Performances zu tun. Es gibt kurze Momente, in denen sich das ein oder andere Stück einen Moment lang an repetitiven Bassläufen aufhält oder ein kurzer Industrial-Ausbruch einschleicht. Aber in der Regel formen sich aus akkuraten Intros, die ein bisschen an die Atmosphäre von Hurts erinnern, oder aus zarten Pianothemen gepflegte synthetische Melodien.

TÜSN verorten sich zwischen Kammerspiel, Bombast und Teilnahme am Gothic-Contest, springen clever immer wieder aus der Schublade, bevor diese sich schließt, geben den Stücken überaschende Wendungen. Aus diesem Corporate Design erschließt sich der Reiz der Platte mit den schrägen Background-Chören.

“Schuld” ist nicht erst seit Dostojewski ein großes Wort. “Sind wir der Mensch oder der Richter” heißt es auf der Platte, bezüglich der Songs gibt es jedenfalls schon mal keinen Kläger. Die Interpretation von elektronischer Musik, die TÜSN liefert, ist eine interessante Alternative zum zeitgenössischen Indie-Pop und dürfte ein breites Spektrum an Interessenten erreichen. Dazu bedarf es auch weder inflationärer Theatralik noch einer Papp-Krone.

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