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Bombino – Azel

Neulich fragte ein großes englischsprachiges Musikmagazin, ob die Super Bowl Halftime Show das wichtigste Ding im Pop geworden sei. Unter Blinden ist der Einäugige König.

Es gibt einen Desert Rock, der nicht aus der kalifornischen Wüste entstammt und eine Fortführung von Black Sabbath ist, sondern der mit seiner bluesgetränkten Akkord-Spielfreude zwar die Dire Straits im Herzen, indes aber in der kulturell unterrepräsentierten Sahelzone beheimatet ist.

Mit Rock um die Welt Gereiste kennen den seit den Achtzigern wichtigsten Exportschlager der Musikwelt der Tuareg: Tinariwen und ihr zeitlos schöner Blues Rock aus der Sahara. Die E-Gitarre kann die Welt zum sprichwörtlichen Global Village machen, 70’s Rock und die Vertigo auslösende zirkuläre Melodieflut des umherziehenden Berbervolks sind die Komponenten, die auch Omara Moctar als Bombino kennzeichnen.

Nicht von ungefähr zog Blues-Bewahrer Dan Auerbach von den Grammy-schweren Black Keys alle Kontaktregister, nach dem Genuss von Moctars Gitarrenspiel, und trat mit dem unaufdringlichen Mittdreißiger aus dem Niger in Verbindung, um schließlich Bombinos letztes Album „Nomad“, von 2013, in seinem Studio in Nashville zu produzieren.

Seither ist der virtuos den Blues spielende Tuareg aus Agadez in der Rockwelt abseits bierseligen und primitiven Stadionrock-Gegröles durchaus ein Begriff. So sehr, dass für sein neues Album „Azel“ Dirty Projectors Frontmann Dave Longstreth seine New Yorker Studiotüren öffnete und den Wüstenrock Moctars unaufdringlich ins rechte Produktionslicht rückte.

Manisch schwindelig machende Wiederholungen verspielter Melodieriffs charakterisieren Bombinos endlos ausufernden Wüstenrock. Gleichzeitig etabliert dieser Sound damit eine Lebensfreude, die seltsam tradiert und dennoch losgelöst ist von der ursprünglichen Schmerztherapie Blues.

Das Nomadenvolk der Tuareg hat ja einiges an schlimmer Gängelung durchleben müssen im von Diktaturen geplagten Niger. Es mutet an wie ein Märchen aus dunkleren Menschheitstagen, aber vor nicht einmal einer Dekade gehörte für die rastlosen Wüstenwanderer der illusorische Versuch eines Verbots des Gitarrespielens dazu.

Ein Lehrstück für jeden Machthaber sollte sein, mit ansehen zu müssen, wie das mit dem Gitarrenverbot derbe nach hinten los ging und sich nicht nur die Tuareg-Rock-Pioniere Tinariwen oder Tamikrest immer größerer Beliebtheit und vor allem Bekanntheit erfreuen. Mit der nächsten Generation wie Bombino, genau so wie mit den auf City Slang in Bälde ihr Debüt vorlegenden Imarhan, manifestiert sich:

Der Blues und die rastlosen Tuareg, die E-Gitarre und die sengende Wüstensonne sind eine die Welt zum Dorf machende Symbiose eingegangen, die daran erinnert, dass Rockmusik so viel mehr sein kann als schnelle an- und abschaltbare Halbzeitbespaßung großer, in ihrer überbordenden Maskulinität recht homoerotisch wirkender Sportevents.

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