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The Range – Potential

Das Potenzial des gesellschaftsrevolutionierendsten Mediums unserer Zeit ist immens. Dabei ist das Internet nicht nur ein Medium voller Selfmade-Erfolgsgeschichten. Gleichsam fungiert es als museales Archiv manch traurig anmutender Selbstverwirklichungsunternehmung.

Der New Yorker Beatschmied James Hinton, der als The Range vor drei Jahren mit „Nonfiction“ ein wunderschön melancholisches Sample-Electronica-Mosaik in die Welt setzte, nimmt sich auf seinem lange erwarteten Zweitwerk „Potential“ dieser einsamen Online-Zeugnisse menschlicher Kreativwerdung thematisch an.

Anstatt wie beim Debüt stimmliche Straßensounds und Unterhaltungsschnipsel in seinen aus Post-Dub, Break-und Grime-Beats sowie House-Elementen bestehenden Electronica-Sound zu integrieren, versammelt „Potential“ lauter Schnipsel aus ambitionierten, mehr oder weniger musikalischen YouTube-Videos, deren Klickzahlen im äußerst bescheidenen Rahmen verblieben sind.

Ganz schön clever: Das unendliche Meer an unerfolgreichen YouTube-Videos als Sample-Fundament. James Hintons kluge Electronica-Frickeleien stellen ihn nicht von ungefähr in eine Reihe mit gefeierten Genre-Größen wie Four Tet und Gold Panda. Die emotionale Wärme, behutsame Arrangierkunst und der unaufgeregte Einsatz tanzbarer Rhythmusstrukturen sind Signum einer Spielart elektronischer Musik, die so gar nichts mit den grölenden Bombastmomenten großer Techno-Partys gemein haben will.

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, die dieser melancholisch-tanzbaren Beat-Träumerei bestens steht, wie ein gewisser SdotStar in seinem YouTube-Video verkündet „Right now I don’t have a backup plan for if I don’t make it“ – die gesampelten Eröffnungsworte von The Ranges zweitem Album haben im YouTube-Original beim Verfassen dieses Artikels ganze 56 Klicks.

In ähnlichem Bekanntheitsmaßstab spielen sich die anderen zahlreichen Voice-Samples ab, die, da sie zumeist gerappt vorgetragen sind, dem Zweitwerk von The Range eine recht deutliche Hip-Hop-Lastigkeit geben, was einen signifikanten Kontrast zum eher flächig, weil instrumental und sphärisch anmutenden Debüt erzeugt.

Obwohl ein wirklich schönes Album, erscheint das Debüt „Nonfiction“ eine Nuance zwingender. „Potentials“ einziges Manko mag sein, dass seine 11 Songs zu sehr dem gleichen Schema unterliegen. Dennoch hat sich James Hinton mit dem wieder liebreizenden „Potential“ nun als feste Größe in jener Electronica-Welt etabliert, in der Intelligenz mehr zählt als primitive Effekthascherei.

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