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Kaytranada – 99.9% – Außergewöhnliches Bewerbungsschreiben

Es sei die Frage erlaubt, was Kaytranada mit “99,9%” erreichen will. Noch dringlicher aber ist: Wen will er damit erreichen? Das Debütalbum des gebürtigen Haitianers franst an den Stil-Ecken so sehr aus, dass man überhaupt nicht weiß, was ursprünglich mal Teppich war.

Hinter dem Künstlerpseudonym Kaytranada verbirgt sich das 23 Jahre junge Producer-Talent Louis Kevin Celestin. Von Montreal aus verbreiteten sich seine ersten Demotapes wie Lauffeuer und kurze Zeit später zählen bereits Arbeiten für renommierte Namen wie Danny Brown und Missy Elliott zu seiner Vita.

Auf dem ersten Longplayer unter eigenem Namen stellt Celestin sein Talent eindrucksvoll unter Beweis, indem er eklektisch die Grooves aus Funk, Soul und Hip-Hop mit der Harmonielehre des Jazz kreuzt.

Das sind im Ergebnis fünfzehn ausnahmslos tolle Beats, die oft zielsicher neben der Spur leiern, satte Bässe und schneidende Hi-Hats in unterschiedlichsten Ausprägungen aus den Boxen drücken und verschrobene Klänge, fernab von Preset-Features aus Pro Tools, darüber träufeln.

Für die meisten Songs ist das aber nur die halbe Wahrheit, weil Gastsänger oder Sängerinnen das Ganze nochmals auf Links ziehen. „Got It Good“ verunstaltet etwa Craig David zu einer R&B-Schmonzette. In „Drive Me Crazy“ spittet Vic Mensa seine Rhymes ins Mic und Shay Lia haucht „Leave Me Alone“ zur gehobenen Lounge-Musik.

Das fühlt sich insgesamt sprunghaft an, lässt Konsistenz vermissen und pfeift auf Zielgruppen – nicht, dass das per se etwas Negatives wäre. Nur: dem Teilzeitkonsumenten dürfte das Gros der Songs zu anstrengend und arty sein, dem versierteren Hörer versalzen die R’n’B- und Pop-lastigen Gastbeiträge das progressiv brodelnde Grundserum.

Gerade deshalb wirkt “99,9%” vor allem wie ein außergewöhnlicher Lebenslauf inklusive Bewerbungsschreiben, adressiert an weniger außergewöhnliche Künstler, die mit Hilfe von Kaytranada künftig wieder Schritt halten könnten.

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