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K.I.Z – Hurra die Welt geht unter Open Air, Elbufer, Dresden

Kanonen auf Spatzen(hirne). Im arg gebeutelten Dresden zeigen die Jungs von K.I.Z. aber mal kräftig, was eine Harke ist. Im Rahmen der Filmnächte am Elbufer baut sich ein bombastischer Strudel aus Schall und Wahn auf, der alles mitreißt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Was gäbe es für einen idealeren Ort für ein Openair diesen Ausmaßes als die Stadt der Wutbürger und Rückwärtsdenker, K.I.Z. sparen während der weit über zwei Stunden auch nicht mit Hinweisen und Nachrichten an die rechte Adresse. Nachdem Frauenarzt das Publikum mit seinem rundum erneuerten Auftritt definitiv gut erwärmt hat, betreten die Berliner Sozialkritiker dann auch standesgemäß die Bühne und prügeln ein „Urlaub fürs Gehirn“ raus, das sich gewaschen hat.

Mit einem klassischen Hip-Hop-Konzert hat das, was auf der grünen Wiese vor der großartigen Kulisse der Dresdner Altstadt abgeht, sehr wenig gemein. Die Menge schiebt und drängt zur Bühne und die Pogokreise reißen immer wieder Löcher ins bunte Treiben. Die wunderbar sarkastischen Texte passen leider wie die Faust aufs Auge zum Zeitgeschehen und werden voller Inbrunst aus tausenden Kehlen in den Nachthimmel geschleudert.

Zum Gesamtkunstwerk K.I.Z. gehört auch immer ein wenig gespielter Pathos. So hängen die Jungs also auch mal in Seilen von der Bühnendecke und performen im Kraftwerklook. Im Übrigen soll dies das letzte Konzert vom Tellerdreher der Band, DJ Craft gewesen sein.

Wer denkt, dass Tarek, Maxim und Nico ihr Hitpulver schon zu Beginn der Show verschossen haben, der irrt. Denn da, wo bei anderen oft schmückendes Beiwerk die Lücken zwischen den Hits füllt, haben K.I.Z. fast nur Knaller im Köcher. Und sie gehen jeden Song an, als wäre es der letzte, den sie jemals spielen werden.

Volle Kraft voraus ist das Motto, ohne Rücksicht auf Verluste. Die vielleicht etwas unterdimensionierte Anlage brennt so fröhlich ein zynisches Rapfeuerwerk ab. Höhepunkte sind mit Sicherheit ein unglaublich intensives „Hurra, die Welt geht unter“ und bitterböses „Neuruppin“.

Definitiv haben die Berliner in den letzten Jahren neue Maßstäbe gesetzt, vielleicht nicht unbedingt musikalisch, aber auf jeden Fall mit der Kraft ihrer
Texte. Und niemand im vielzitierten Business erreicht sprachlich ihr Niveau. Wer sich deutschen Rap 2016 auf die Fahnen schreibt, kommt an den vier Jungs nicht vorbei.

Das Publikum in Dresden zeigt sich bunt gemischt und verbreitet eine sehr angenehme Atmosphäre, von der auch die Bühnenbesatzung angesteckt wird. Gleich einen ganzen Sack voll Zugaben schenkt man den Dresdnern, deren Außenwahrnehmung im Rest der Republik ja bekanntlich nicht die beste ist. „Scheiß Pegida“ – Sprechchöre mischen sich so immer wieder unter die Beifallsstürme.

Auch ums Konzertgelände herum ist die Stimmung gelöst. An diesem Abend zeigt sich die Stadt von ihrer besten Seite, und während der Vorhang fällt und die Menschen beseelt in die Nacht entschwinden, bleibt am Ende wohl in allen Ohren ein leichtes Säuseln – Hurra die Welt geht unter.

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