Spätestens seit „Welcome To The Night Sky“ von 2007 zählen Wintersleep zu den Vorzeigegrößen des kanadischen Indierocks. Folkloristische Elemente und große Dynamikbögen verschmelzen mit alternativer Rockmusik zu einer eigenständigen Gletschermasse, die häufiger der Sonne ausgesetzt ist, als es der Bandname vermuten lässt.
Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den gestrigen Abend im Stuttgarter Kellerclub. Doch die erste Ernüchterung folgt schon kurz nach Einlass.
Gerade einmal 20 Besucher wollen den Supportact Terra Lightfoot hören. Dabei ist die stämmige Bluessängerin mit ihrer Rootsrock-Band im Rücken ein idealer Aufmacher für Wintersleep. Meistens entschleunigt, im richtigen Moment wach rüttelnd, haben die Landsleute von Wintelseep neben der tiefen Stimme ihrer Sängerin eine angenehm gesetzte Extravaganz in petto.
Die zweite Ernüchterung des Abends folgt mit der kurzen Spielzeit von Terra Lightfoot und dem anschließenden Auftakt von Wintersleep. Die Wahl des Quintetts fällt auf „Lifting Cure“ vom aktuellen Album „The Great Detachment“, das im Vergleich zu seinen großartigen Vorgängern deutlich Federn lässt. Der Sound ist noch schal und bessert sich nur langsam über den Auftritt hinweg.
Bei Sänger und Gitarrist Paul Murphy steckt der Technikteufel im Detail, beziehungsweise im In-Ear. Während des gesamten Konzerts scheint er von der Funktionalität der Technik beeinflusst und abgelenkt. Seine Stimme rutscht oft haarscharf an den Tönen vorbei und die geringe Besucherzahl wird vermutlich auch nicht zum inneren Freudentanz auf der Bühne beigetragen haben.
Dennoch versucht das fünfköpfige Gespann gute Miene zum soliden Spiel zu machen – hält sich mit Ansagen allerdings komplett zurück. Immerhin ist die Publikumszahl inzwischen auf circa 50 Besucher angewachsen und beschwingte Stücke wie das wippende „Weighty Ghost“ entspannen die allgemein etwas steife Atmosphäre.
Dass hier eine Band auf der Bühne steht, die für ihr aktuelles Album sogar Geddy Lee von den kanadischen Prog-Ikonen Rush zur Kollaboration bewegen konnte, wird allerdings zu keiner Zeit spürbar. Die Konstellation wirkt familiär, teilweise laienhaft und etwas zu gezwungen.
Deshalb ist es auch verständlich, dass Wintersleep nach einer Stunde aufhören und lediglich für zwei weitere Zugaben zurück kommen. Die dritte Ernüchterung ist, dass sie dabei sogar auf „Drunk On Aluminium“ verzichten – ihrem wahrscheinlich besten Song.
Beim anschließenden Plausch von Gitarrist Tim D’Eon mit einigen Gästen bestätigt dieser dann einmal mehr das Klischee vom smoothen, relaxten und stets netten Kanadier. Es bleibt aber insgeheim bei einem Konzerterlebnis, von dem man sich mehr erhoffen durfte.